Freitag, 26. Oktober 2012
Junger Mann
Blick in den Badezimmerspiegel. Meine Haare offen, weil noch nicht trocken nach dem Schwimmen, und ich sehe aus, als hätte ich vierzig Jahre in einem Erdloch im Wald nur von Nüssen und Regenwasser gelebt. Nein, mit diesem Gesicht gehe ich heute nirgendwo mehr hin.
Ich war ausnahmsweise am frühen Nachmittag schwimmen, war über der Zeit (eine Stunde für 4 Euro), kenne mich nicht aus mit der Bedienung des Nachzahlautomaten, neben mir steht eine Mitarbeiterin der Bäderbetriebe, die noch keine 30 ist und kurze Hosen trägt. Sie fragt mich: Kann ich Ihnen helfen, junger Mann? - Ja, ja, das ist der bekannte kess gemeinte Berliner Sprachgebrauch und ich schaffe es auch, meine Widerworte zu unterdrücken.
Aber nun stehe ich vor dem Spiegel, sehe in mein zerfurchtes bleiches Gesicht und die Frau von den Bäderbetrieben fällt mir ein. Ich hätte ihr den Jungen Mann nicht durchgehen lassen dürfen. Ihr nicht widersprechen. Das war richtig, dass ich das nicht gemacht habe. Aber als sie mir so resolut mein Eurostück aus der Hand genommen hat, um es in den Bezahlschlitz des Automaten zu stecken, da hätte ich ihr wortlos ihren nackten Unterarm vollsabbern sollen.