Mittwoch, 14. März 2012

Negativ

Die Sonne nicht; mit Sonne wäre es einfacher gewesen. Julie nicht; sie hat unsere Verabredung heute um 13 Uhr abgesagt. Überhaupt kein Problem die Verschiebung, habe ich ihr zurückgeschrieben, aber dann fängt es schon damit an, dass ich mich nicht entscheiden kann, in welche Richtung ich gehen soll. Denn die Einkäufe für heute habe ich gestern schon gemacht, weil ich dachte ich bin am frühen Nachmittag bei Julie und danach schreibe ich über sie. – Zu Herrn Höfeler, um ihn zu fotografieren? Und zum Foto von ihm unser Dialog über Bazon Brock? Er fragte mich am Samstag, wie man den Namen schreibt. Hatte im Radio ein Interview mit Bazon Brock gehört und imponiert hatte ihm, wie der Alt-Intellektuelle seine Verachtung der Politikerkaste zum Ausdruck gebracht hat, indem er sagte, von diesen Leuten habe doch keiner auch nur einen einzigen Roman von Thomas Mann gelesen. – Als ob es darum ginge. Ich also zu Höfeler: Ich habe fast alles von Thomas Mann gelesen und ich kann Ihnen sagen, dass es nicht notwendig ist, Thomas Mann zu lesen. Für keinen Politiker und auch für Sie nicht, Herr Höfeler. Für niemanden.  Aber wenn er sich nicht fotografieren lassen will, der Herr Höfeler, dann habe ich wieder diese Geschichte am Hals und bevor ich sie im Blog verschweige, erlebe ich sie lieber nicht. – Höhe Gothaer Straße kehre ich um. Goltzstraße: Friederike. Ulla. Nomi.  Ich bin so unruhig; das ist der Frühling, sage ich zu ihm. – Bin ich unruhig oder beunruhigt? Voller Negativität bin ich. Seit Tagen der Satz: Und als ich gegangen bin, ist er bei dem Jazz-Trio eingestiegen und hat Schlagzeug gespielt genau so wie er malt. Bilder wie Phrasen. Seelenlosigkeit. Was ist das? Und was ist das Gegenteil? Ich gehe jetzt zur Neuen Nationalgalerie, um das Betty-Plakat zu fotografieren,  das letzte Woche gefehlt hat. Als ich es tue, steht neben mir eine Frau aus Asien. Steht da, als würde sie darauf warten, dass ich sie fotografiere. Ich drehe mich zur Seite. Klick-klack. Und das scheint ihr Zeichen gewesen zu sein. Sie geht los. Zum Eingang, in die Ausstellung. 


Die Ausstellung wäre jetzt meine Rettung, ich weiß es. Aber das kann ich nicht machen. Ich habe mit Uliane verabredet, dass wir nächste Woche zusammen gehen. Ich probiere schon Sätze aus, mit denen ich rechtfertige, dass ich ohne sie gegangen bin. Ich gehe zum Eingang. Davor steht ein Tisch, dahinter zwei Uniformierte. Gibt es hier die Karten oder drinnen? Ich reiße mich zusammen und frage den Uniformierten, ob man in der Ausstellung fotografieren darf. – Ja, antwortet er. Aber nicht mit Blitz.  – So habe ich mir das gedacht, sage ich und wende mich vom Eingang ab, fühle mich deswegen aber nicht besser auf dem Rückweg.  


Letzte Woche dachte ich, dass ich mir die Ausstellung nicht anschauen will, weil sie mir zu mainstreamig ist und es das nicht sein kann, zu gucken, was im Moment so viele gucken, und das Gleiche zu denken, was so viele denken. Aber dann habe ich den Clip auf der Website der Neuen Nationalgalerie gesehen. Empfehlenswert alleine schon wegen der ulkigen Rhetorik der Kuratorin und überzeugt hat mich: (in der Ausstellung) entfaltet sich das Werk wirklich in der Reihenfolge, wie es entstanden ist, Bild für Bild ohne Auslassungen ... . 



Für alle, die nicht anstehen wollen: Ich habe heute zum zweiten Mal gesehen, dass man an einem Werktag nachmittags ohne Wartezeit in die Richter-Ausstellung reinkommt.