Samstag, 31. März 2012

Hai

Ein kleiner Finanzhai ist ein fetter Finanzhai geworden, nein, er wohnt nicht in London inzwischen, er pendelt und das Geschäft wird jedes Jahr härter, Fundraising für Risikokapital, nicht nur England, ganz Europa ist am Ende, Asien gehört die Zukunft, Europa hat sie hinter sich, die Welt wird zum Gemeinplatz, wenn der Finanzhai spricht. Mann, bist du fett geworden! Du warst mal ein richtig hübscher Junge.

Freitag, 30. März 2012

Theorie


Monica Bonvincini  bet your sweet life   black enamel color on safety glass
99,5 x 98 x 0,5 cm  2010

Keine Lust auf Theorie. Außerdem hat schon überall was gestanden darüber. Über Metamodernismus und die Ausstellung in der Galerie Tanja Wagner. Wo gestanden? Zitty zum Beispiel. Dann ist das kein Thema für mich. Es sei denn, ich gehe hin morgen, wenn die beiden Denker da sein werden: Timotheus Vermeulen und Robin van den Akker. Kulturphilosophen. Zwei Denker in einer Galerie. Das ist eine Geschichte. Ich muss nicht anhören, was sie sagen. Ich kann sie beobachten bei dem, was sie machen in der Galerie. Ich kann sehen, was für Leute kommen und ihnen zuschauen bei dem, was sie mit den beiden Denkern machen, und dabei immer darauf achten, was das mit der ausgestellten Kunst macht, was die Leute und die Denker aus der Kunst machen. Wird die Kunst nur um sie herum stehen und hängen? Oder werden sie sich auf die Kunstwerke beziehen wie auf Beispiele für ihre weit in die Kultur und die Philosophie reichenden Thesen? Oder wird es um nichts anderes gehen als um diese Werke, also gar nicht um Theorie, sondern nur um die Kunst und das Leben? Und was sind das dann für faszinierende Gestalten diese beiden Männer, die sich als Denker so zurücknehmen? Wenn sie das tun. Dann wäre auch das ein Akt der Überwindung von Postmoderne mit ihrem Überlegenheitsgetue - ob im Ironismus eines Fernsehclowns oder der Unlesbarkeit der Derrida-Schule

Kris Lemsalu  In my bathtub I`m the captain  Ceramics, textile, metal
approx. h: 101 cm, w: 76 cm, d: 69 cm   2012

Metamodernism. Metamodernismus. Auf der Website Notes on Metamodernism ist nachzulesen, wie meta- zu verstehen ist. Nicht wie in Meta-physik oder Meta-ebene, sondern? Selbst nachlesen! Keine Lust auf Theorie. Und dann auch noch –ismus. Ganz unironisch, keineswegs spielerisch gemeint als Persiflage von Theorismus. Denn darum geht es und das ist das Gute daran und ein Grund den beiden Denkern doch zuzuhören: Wir wollen uns wieder etwas machen aus allem, aus einander, aus der Welt und ihrer Geschichte, die wir schreiben immer weiter - wir, wer denn sonst? Kein alles relativierendes Rumspielen mehr! Ernst! Begeisterung! Und: Die Metamoderne sehnt sich nach einer Wahrheit und weiß, dass sie diese vielleicht nie finden wird. Nicht humorlos strebt sie nach Aufrichtigkeit, liebt den Zweifel und folgt der präzisen Auseinandersetzung.  

Mariechen Danz  Costume 1  Marker on cotton  2004

Wie können wir heutzutage Veränderung bewirken? Wie können wir in Kontakt sein, intim sein, uns lieben? Wie können wir ernst sein? Wie kann ich Dir glauben? Welche Geschichte soll ich Dir erzählen? Welche Geschichten soll ich mir selbst erzählen? …
Zitiert aus dem in der Galerie Tanja Wagner ausliegenden Papier Discussing Metamodernism. Das auch der Titel der Ausstellung, die erste in Europa, die sich diesem Konzept widmet.

Šejla Kamerić  Ballot Box Calcareous sandstone, granite, rope, wax
60 x 46 x 46 and 50 x 50 x 50 cm   2012


Discussing Metamodernism
with works by Ulf Aminde, Yael Bartana, Monica Bonvicini, Mariechen Danz, Annabel Daou, Paula Doepfner, Olafur Eliasson, Mona Hatoum, Andy Holden, Šejla Kamerić, Ragnar Kjartansson, Kris Lemsalu, Issa Sant, David Thorpe, Angelika J. Trojnarski and Luke Turner/Nastja Rönkkö. Curated in collaboration with Robin van den Akker and Timotheus Vermeulen.
Discussion with Timotheus Vermeulen und Robin van den Akker on Saturday March 31 at 7 pm.

Ausstellung bis 21 April 2012
Mittwoch - Samstag 11 – 18 Uhr und nach Vereinbarung
Pohlstraße 64
10785 Berlin
030 86 43 01 23
info@tanjawagner.com

Kunst: ã die in der Galerie Tanja Wagner ausstellenden Künstler
Fotos: ã w.g.

Donnerstag, 29. März 2012

Schmidt

Sat 1 stellt die Harald-Schmidt-Show ein. Das ist noch nicht die gute Nachricht. 


Das ist die gute Nachricht. Denn was habe ich unter diesen Deppen gelitten, alleine schon beim Gedanken daran, dass es sie gab. 

Lesenswert das Interview mit Roger Schawinski über Harald Schmidt hier: "Schmidt ist der übelste Zyniker, den ich jemals getroffen habe". - Dass es für ihn der schönste Moment war, als ich alle meine Leute entlassen konnte, würde der von der Süddeutschen sogenannte Großmeister selbstverständlich als einen Fall von Ironie darstellen. Nein, die von der Süddeutschen würden es selbst für einen solchen halten und der Großmeister würde dann noch einen drauf setzen so brutal-ironisch, dass die von der Süddeutschen sich auf ihre Schenkel klopfen.

Mittwoch, 28. März 2012

Hilal

Hilal ist das türkische Wort für Neumond. Hilal ist eine der bestangezogenen Frauen Schönebergs, habe ich letztes Jahr geschrieben im Blog. Ab dem Sommer haben wir sie nicht mehr gesehen. Sie hat etwas ausprobiert. Das hat ihr nicht gefallen. Jetzt ist sie wieder da und, das hat sie heute gesagt, sie freut sich richtig, wieder arbeiten zu können - nicht mehr im Kaiser Kiosk, jetzt in der Kaiser-Kiosk-Filiale in der Akazienstraße 2.


Gestern hat sie sich ein neues Kopftuch gekauft und es sich heute Früh gleich umgebunden. Am Nachmittag hat das Kopftuch geflüstert: Dann lass ihn doch Fotos von dir machen. Vertrau ihm! - Kopftücher flüstern nicht. Aber vertraut hat sie mir trotzdem. Ich zeige nur ein Foto, das schönste, habe ich ihr versprochen, und jetzt breche ich mein Versprechen. Denn von der Seite muss ich sie auch noch zeigen:


Und dieses Foto muss auch noch sein, das beste:


Fotos: ã w.g.

Dienstag, 27. März 2012

Eckbalkon





´



Fotos: ã w.g.

Panini

Wie nennen Sie so ein Baguette-Stück?
Panini.
Und was kostet ein Panini?
3 Euro. Wollen Sie eins haben?
Nein, danke. Und was kostet ein koffeinfreier Cappuccino?
2 Euro 20.
Und eine Tasse Darjeeling-Tee?
2 Euro 20.
Die Bedienung und ihre Kollegin hinter dem Tresen schauen mich gespannt an und fragen sich, was nun als nächstes kommt, ahnen jedoch schon: nix.
Um sie mir einzuprägen, murmele ich die Preise vor mich hin: 3 Euro. 2 Euro 20. 2 Euro 20. Danke, sage ich und gehe. Wenn ich den beiden erklären würde, weswegen ich ihnen die Fragen gestellt habe, würden sie mich noch sonderbarer finden. Ich überquere die Akazienstraße und addiere. 7 Euro 40. Nicht 7 Euro 10 hat die Rechnung betragen, als ich hier im Café Sur mit der Frau war, die der Contessa so ähnlich sieht und entweder auch die Contessa ist oder nicht. 7 Euro 10 ist der Titel des Textes, den es demnächst zu lesen geben wird über das Treffen mit der Frau im Café Sur, wenn ich den Text nicht in den nächsten Tagen beerdige wie die Fassungen zuvor, die allerdings noch ohne Titel waren. Dass es jetzt einen Titel gibt, macht es wahrscheinlicher, dass aus der aktuellen Fassung etwas wird. 7 Euro 10, korrigiert: 7 Euro 40. Auch gut. Frage nur: Das Panini, auf das ich deutete, als ich die Bedienung ansprach, war mit Schinken belegt. In meiner Geschichte geht es um ein Panini, das belegt ist mit Mozzarella und Tomate. Gleicher Preis? Hätte ich fragen sollen. Noch mal zurück? Wenn ich schon genau bin, kann ich auch ganz genau sein. Ich drehe mich um, warte, dass die Ampel auf Grün schaltet, und sehe auf dem Eckbalkon über dem Café Sur Harald Heinz mit der Kollegin, von der er gestern gesagt hat, dass er sie heute besuchen will. – Willst du hoch kommen? ruft er. – Ich: Ja.  Und zwar deshalb, weil es gestern so witzig und ausgelassen war mit ihm. Das kommt nämlich nicht so oft vor, dass ich das erlebe in Berlin. Viele Leute hier, auch Nicht-Berliner, sind verspannt und überhaupt nicht witzig, wissen das aber nicht, erkläre ich Harald, dem Neu-Berliner. Mit seiner Kollegin ist es dann so witzig und ausgelassen wie gestern mit ihm alleine. Die Kollegin hat zwei Katzen. Sie hat zu ihrer Sicherheit über den Balkon ein Katzennetz gespannt und nennt den Balkon Katzen-Gulag. Die Kollegin hat auch eine Tochter, die gerade von der Schule nach Hause kommt, als ich nach zwanzig Minuten wieder gehe und wirklich kein Stück Kuchen essen wollte. 

Die beiden Bedienungen stehen an der Tür des Café Sur und haben sich jetzt an mich gewöhnt. Sie wundern sich nicht, als ich sie frage, ob das mit Mozzarella belegte Panini so viel kostet wie das mit Schinken. Antwort: gleicher Preis.

Montag, 26. März 2012

Heinz

Eben noch sprachen wir über Romane, ich über den Niedergang der Gattung und er sagt, Martin Walser, und ich sage, der faselt doch nur noch …


… und schon sieht er aus wie Martin Walser, wenn der selbstverliebt in sich hinein lächelt bei einem Interview. Schauspieler! Harald Heinz.


So ein Gesicht kriegt man nicht in einem Büro. Nach festen Engagements an verschiedenen Bühnen arbeitete er ab Anfang der 90er Jahre als Freier. Schauspieler und Regisseur, Theater und Fernsehen und eine Sitcom hat er auch geschrieben.


Bei so etwas Ähnlichem wie einer Sitcom haben wir mal zusammengearbeitet. Hörspiel-Endlosserie. Café Eitel. Er spielte den Barkeeper Harry, ich spielte den Autor und Regisseur. Er erinnert sich daran, für 90 Folgen bezahlt, gut bezahlt worden zu sein. Ich erinnere mich daran, 120 Folgen geschrieben zu haben und ebenfalls gut bezahlt worden zu sein. Ist das 1992 gewesen? Sender war Radio Regenbogen in Mannheim. 


Jetzt bezieht Harald Rente und da hat er zuletzt auch darauf hingelebt – nach 22 Jahren Selbständigkeit: immer wieder sich verkaufen müssen, jedes Mal auf´s Neue sich beweisen. Seit Anfang des Jahres wohnt er in Friedenau, Eigentumswohnung im Gartenhaus. Nach Berlin gekommen, um möglichst weit weg zu sein nach einer Trennung und: weil er hier die meisten Freunde hat und: weil es die interessanteste Stadt ist für jemanden wie ihn. Berlin als Altersruhesitz. Das höre ich nicht zum ersten Mal. Nur, dass Harald jetzt gerade merkt, dass das nicht geht mit der Altersruhe. Entweder noch nicht geht oder überhaupt nicht geht: Künstler und Rentner. Also: Harald Heinz ist noch zu haben. Als Schauspieler und Regisseur. Theater / Film / Fernsehen. Oder wie auf seiner Visitenkarte steht: Theater muss sein /Film auch. 



Hier geht es weiter mit: Café Eitel

Sonntag, 25. März 2012

Gestrickt

Noch vom Freitag von der Pohlstraße. 


Sie schaut sich das Video Return of the pyramid piece an. Von Andy Holden. Aus dem Jahr 2008. 6.10 min, colour, sound. Screening nicht sichtbar. Der Gegenstand, vor dem die Frau steht, ist das Pyramid Piece. 


Pyramid Piece ist auch von Andy Holden. Innen Draht, außen gestrickt: Knitted Yarns with wire frame. Scale Model 1:100, 50 x 40 x 30 cm. Was wir sehen, ist also eine maßstabgetreue Nachbildung eines Original-Pyramidenstücks. Wie alles andere in der Galerie von Tanja Wagner sieht das Pyramid Piece sehr gut aus. Es ist ein anderes Genre von Gutaussehen als vorne in der Pohlstraße 67 bei Henry Anno. Ich habe noch andere Fotos, die das illustrieren. Die zeige ich, wenn ich mit Tanja Wagner gesprochen habe über ihre Ausstellung Discussing Metamodernism (noch bis 21. April) und die Kontinuität eines ganz bestimmten Gutaussehens in ihrer Galerie (Pohlstraße 64).


Hier ist die Frau, die zuvor das Video angeschaut hat, schon wieder. Sie ist mir vorausgegangen den kurzen Weg schräg über die Straße und sie kann sich  nicht beklagen darüber, dass ich sie ausbeute. Was ich mir visuell von ihr nehme, kriegt sie szenisch von mir zurück. Denn kurz nach diesem Schnappschuss betrete ich die Galerie, überfliege die ausliegenden Drucksachen, kriege mit, dass der Galerist Dipl. Ing. ist, denke Oh je! und da steht in dem Türrahmen, durch den ich eben noch die junge Frau habe huschen sehen, auch schon der Galerist und Diplom-Ingenieur, wenn ich das richtig verstehe, dass der Galerist Diplom-Ingenieur ist und der junge, sympathische junge Mann der Galerist. – Darf ich hier fotografieren? frage ich. – Die Räume ja gerne, aber nicht die ausgestellten Werke. – Ich kürze ab, was nun passiert. Er erklärt, dass er mir die Fotografier-Erlaubnis für die Werke nicht geben kann, das könnten nur die Künstler selbst. Dipl. Ing.! Und ich, wenn ich es könnte, mich zu bremsen, ich würde es tun. So aber bin ich so fassungslos über meinen Wutanfall wie die junge Frau, die mich anschaut, als wäre das die erste hässliche Szene, die sie beobachtet in ihrem Leben. Doch statt mich zu schämen, mache ich nun etwas, was ich gut finde. Während ich meine Kamera einstecke, sage ich zum Galeristen, der eben sein Angebot, den Raum zu fotografieren wiederholt hat: Nein, dann mache ich überhaupt keine Fotos, sage ich und im Hinausgehen füge ich hinzu, nach der Melodie von Ätsch bätsch: Keine Publizität durch mich für Ihre Galerie! Keine Hand wäscht die andere! – Klar, das ist kindisch. Doch statt anzugreifen oder mich zu beklagen, erkläre ich mich. Ich bin auf der Ebene des Diplom-Ingenieurs und mein Lebensgefühl ist trotzdem gut.

Ich sollte mich mehr erklären, denke ich seitdem. 

Kunst: ã Andy Holden
Fotos: ã w.g. 

Samstag, 24. März 2012

Schulz&Schulz



Sind Sie der Galerist oder der Künstler?
Beides.
Schulz&Schulz ist er und Henry Anno ist er auch. Der Mann, der Bitumen aufhängbar (*) gemacht hat und das jetzt ausstellt in seiner Productiongallery. "With Love". Steht auf der Kettensäge, die im Schaufenster liegt (auf der anderen Seite steht es). 


Kettensäge. Bitumen. Ein hochhackiger Damenschuh. Und was hängt da dran an dem Schuh? – Das ist eine Fledermaus. Präpariert. Die verwest nicht. Hat aber mal gelebt. In einem Hotelneubau Nähe Zoo. – Hat sich dann versteckt in einem Rolladenkasten oder so was an einem Fenster, wo am Tag die Sonne drauf knallte und da ist sie dann verbrutzelt. Tod durch Sonne. Gestorben wie ein echter Vampir. 

White Dreams  PVC, Leather, Vampire on cotton  110 x 100 cm


Was hast du in dem Hotelneubau gemacht?
Fotografiert.
Das machst du also auch noch.
So fing es überhaupt an bei ihm mit der Kunst. Mit Fotos. Fotos von Containern. Wahrzeichen der Globalisierung sind das. Und jeder Container hat eine Individualität, hat seine eigene Geschichte zu erzählen von den weltweiten Warenströmen.


Schon gut, wenn ein Künstler noch etwas anderes gemacht hat in seinem Leben als nur Kunst. Henry Anno war Modedesigner – Jil Sander, Joop, diese Liga. Die Container-Fotos waren sein erster Hit als freier Künstler. Alle Bilder verkauft und dann ist sein Galerist abgehauen nach Südspanien, hat sich die Hucke vollgekokst mit dem Erlös aus dem Verkauf von Henrys Bildern und war monatelang unauffindbar. Danach hat Henry Anno beschlossen, sich galeristisch selbst zu vertreten. Und deswegen gibt es auch nichts zu trinken bei dieser Ausstellungseröffnung? Nicht, dass ich was trinken wollte. Ich sehe es nur gerne, wenn die anderen trinken, wie ich es auch gerne sehe, wenn die anderen rauchen. Ihr dürft mich General Sternwood nennen und nicht mehr lange, dann sitze ich originalgetreu im Treibhaus. Nur mit den zwei Töchtern, das werde ich nicht mehr hinkriegen. Eine davon Lauren Bacall. Film: The Big Sleep. Schätze, dass Henry den Film auch so erkannt hätte. Und Sabine?


Sabine wahrscheinlich auch. Sie neben mir die einzige Besucherin, wenn Frank nicht als Besucher zählt, weil er nur vorbeigeschaut und nicht viel gesagt hat. Sabine ist ebenso begeistert von dem Bitumen an der Wand wie ich. Begeistert, wie das wirkt, so dass man es gar nicht zeigen kann auf einer Abbildung, weil man direkt davor stehen muss und den Drang verspüren, es anzufassen. Aber es ist nicht nur das Haptische und dass es einen anspringt. Es ist auch der Charakter, den die Bitumen-Arbeiten haben als Bildnis. Wie sie durchgearbeitet sind. Aber nicht zu sehr. Der Stil frei von Stilisierung. 

Silence IV  Bitumen, PVC on Fibreglass  180 x 220 cm

Es war gar nicht so einfach, den Moment zu bestimmen, wann eine dieser Arbeit fertig war, sagt Henry. Das kann sie sich vorstellen, sagt Sabine. Und ich sage, dass er jedes Mal genau im richtigen Moment aufgehört hat.

Silence II   Bitumen, PVC on Fibreglass   140 x 170

Ich hatte mir nichts versprochen von der Ausstellung: Bitumen, pffff. Wollte mich in der Pohlstraße umschauen und nur mal kurz zu ihm reingehen. Und jetzt komme ich nicht mehr weg, weil es sieht alles so gut aus hier. Auch noch das Durcheinander im Hinterraum.


Hier sieht´s ja aus! Ich will es gar nicht sagen, wie.
Wie bei Hempels?
Nein, malerisch sieht es aus. Und zum Kleine-spitze-Schreie-Ausstoßen ist es. Guckt mal, hier:


Alles was er macht, hat eine ganz eigene Schönheit. Und Kraft hat es. Männlich ist es. Kerlekunst.

Henry Anno
"With Love"
Pohlstraße 67
10785 Berlin
0172 6443644




Ich verwende nur Material, das schon benutzt wurde und das ich gefunden habe. Ich würde nie mit neuem, gekauften Material arbeiten. 
Und so erzählt jede Arbeit von Henry Hanno auch die Geschichte des verwendeten Materials. Siehe den Schuh der Frau, deren Blut der Vampir ausgetrunken hat, bevor er sich schlafen legte und während seines Verdauungsschlafs der Sonne zum Opfer fiel. Oder die Kunststoffmatten, auf die Henry das Bitumen aufgetragen hat. Die stammen vom Teufelsberg, von der Abhörstation, die der US-Geheimdienst dort betrieben hat, um Telefongespräche abzuhören in der DDR. 1990 wurde die Station aufgegeben und verfiel, die Kunststoffmatten lösten sich teilweise, waren richtig mitgenommen von Wind und Wetter, als Henry sie entdeckte und sie schließlich mit Genehmigung des inzwischen für die Abhörstation zuständigen Forstamtes an sich nahm. 

Henry Anno ist sein Künstlername. Bürgerlich heißt er Johannes Schulz. Daher Schulz&Schulz. Warum doppelt? – Ich tippe mal, wegen seiner Doppelrolle als Künstler und Galerist. Das recherchiere ich noch.

Vielleicht gab es auch nur deshalb nichts zu trinken, weil es noch zu früh war zum Trinken. Zwischen 18 und 19 Uhr war ich da. Noch vor dem Ansturm der Vernissage-Gäste. 

(*) Aufhängbar = accrochable. Gegensatz: inaccrochable.

Kunst: ã  Henry Anno
Fotos: ã w.g.

Freitag, 23. März 2012

Animiert

Wenn ich mit dem überkochenden Nudelwasser rede, ist das versuchter Animismus, obwohl ich natürlich weiß, dass das Wasser mich nicht hört. Wenn ich jemanden sympathisch finde und deshalb glaube, dass er mich versteht, ist das vollendeter Animismus, doch nicht so schlimm. Aber wenn ich eine Frau liebe und unglücklich bin, weil sie sich nicht so verhält, wie ich es mir wünsche, dann ist das vollendeter Animismus und es können Jahre vergehen, bis ich kapiere, dass meine Liebe und sie nichts miteinander zu tun haben.

Die Materie muss nicht tot und es muss auch nicht immer Materie sein, was wir animistisch beleben mit unseren Vorstellungen und Gefühlen. Gegen jedes bessere Wissen. Tief in uns drin Schamanen geblieben. Unser Alltag und unser Gefühlsleben durchsetzt von animistischer Praxis. Animismus von lateinisch anima = Seele. Wie gut, eine zu haben, wenn auch schmerzhaft. 

Animismus-Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt. Ein Ausstellungsstück ist der Animationsfilm Skeleton Dance der Walt Disney Productions aus dem Jahre 1929. 




Den Film kann man wie Casablanca immer wieder sehen. Allerdings braucht man dazu nicht ins Haus der Kulturen der Welt zu gehen. Sonst soll die Ausstellung nämlich nicht so toll sein. Völkerkundemuseum.

Haus der Kulturen der Welt
Berlin
Bis 6. Mai 2012

Donnerstag, 22. März 2012

Geçay



Wie alt schätzen Sie mich?  
Sie sind über 50, aber noch keine 55. - 54?
52. Geboren 1960. Am Weltfrauentag.
In der Türkei oder hier?
Türkei.
Und wann nach Deutschland gekommen?
1974. Wissen Sie, wann Weltfrauentag ist?
8. März.
Richtig, sagt er überrascht, weil ich das Datum weiß (aber auch nur, weil es in der Geschichte Eintritt frei 1, 2, 3 vorkommt; am rechten Rand verlinkt). Während er das Datum weiß, eben weil er an dem Tag geboren ist – und weil bestimmt schon mehr als eine seiner zahlreichen Kundinnen ihn darauf hingewiesen hat, wenn er erwähnte, wann er Geburtstag hat. 


Ich hole ein Paar Jeans ab, in die er mir einen neuen Reißverschluss eingenäht hat. 10 Euro zahle ich dafür. Das kam mir viel vor, als er mir beim Abgeben der Hose Anfang der Woche den Preis nannte. Letztes Jahr, als ich zum ersten Mal bei ihm war, auch mit einem Paar Jeans (Hosenboden), war es bei ihm viel günstiger gewesen als bei den anderen Schneidern in der Umgebung. Seine Erklärung: Der Reißverschluss kostet alleine schon 6 Euro. Und 4 Euro fürs Nähen, die muss er schon haben.


Seit 1. September 1987 ist er hier mit seinem Laden an der Ecke Haupt- /Vorbergstraße. Heißt: Am 1. September hat er 25jähriges Geschäftsjubiläum. Heißt: 25 Tage lang wird es dann auf alles einen Preisnachlass von 25 Prozent geben. Heißt: Einen neuen Reißverschluss einnähen kostet dann nur 7.50 Euro. Die ganze Aktion eine reine Großzügigkeit gegenüber den Kunden aus freudigem Anlass. Als Werbemaßnahme hat er es nicht nötig. Denke ich mir mal, weil er so einen zufriedenen, entspannten Eindruck macht. Das also auch noch. Günstige Preise. Gute Arbeit. Und man hat gerne mit ihm zu tun.


Ayhan Geçay
Änderungsschneiderei
Hauptstraße 11
10827 Berlin
030/7849634 


Fotos: Ó w.g.

Mittwoch, 21. März 2012

Feudalismus

Leute gehen in die Öffentlichkeit mit ihrem Zeug und wollen so gesehen werden, wie sie sich selbst sehen. Das war schon immer so. Neu ist, wie sie sich diesen Wunsch selbst erfüllen. Zum Beispiel so: Ohne weitere Angabe von Gründen hat das Studio von Damien Hirst es dem Kunstmagazin Monopol untersagt, die Werke Hirsts abzubilden in einer Berichterstattung über ihn, weil das Magazin sich weigerte, die Artikel zuvor dem Studio vorzulegen. Ohne weitere Angabe von Gründen heißt: Das Studio von Damien Hirst kann im Prinzip jeden verklagen wegen übler Nachrede, der behauptet, es bestünde ein Zusammenhang zwischen der Weigerung von Monopol, die Artikel vorzulegen, und der Weigerung des Studios, die Abbildung der Werke zu genehmigen. Der Mann hat einmal einen Tigerhai in Formaldehyd  einlegen und ausstellen lassen. Und sein Studio weiß genau, was es tut. - Was machen die Monopol-Leute? Sie bringen ihre Berichterstattung (Pro-Contra-Hirst aus Anlass der Retrospektive in der Tate Modern in London) wie geplant und an den Stellen, an denen Abbildungen von Werken Damien Hirsts stehen sollten, steht jetzt, dass er es ihnen untersagt hat Blahblah. Deswegen wird er sich bestimmt nicht die Handknöchel blutig beißen, denn die Finanzmarkt-Zocker-Milliardäre, für die er Totenschädel mit Diamanten besetzt und Glasschränke mit chirurgischen Instrumenten herrichtet als Mobiliar, das nicht jeder hat, die lesen bestimmt nicht Monopol und würden sich an seiner Stelle nicht anders verhalten.

Zur weiterführenden Lektüre empfehle ich aus der taz von heute ein Interview mit dem Soziologen Sighard Neckel über Finanzkapitalismus und Feudalismus: "Wir müssen die Jets auf den Boden holen".

Die April-Ausgabe von Monopol ist ab morgen im Zeitschriftenhandel.

Dienstag, 20. März 2012

Wish You Were Here




Ella   Öl auf Leinwand   2007

Tisch    Öl auf Leinwand   1962


Tiger    Öl auf Leinwand    1965




Ausschnitt: Abstraktes Bild Öl auf Leinwand 1987



Abstraktes Bild  Öl auf Leinwand  1990





... und als sie sich von ihr verabschiedet hat, da hat sie ihr über den Unterarm gestrichen und gesagt: Sie sind schön.

Abstraktes Bild   8 Werke  Öl auf Alu-Dibond (einmal Öl auf Lwd.) 1999

Gerhard Richter Panorama
Neue Nationalgalerie
Berlin
Bis 13. Mai 2012

Kunst: ã Gerhard Richter 2012
Fotos: ã w.g.