Mittwoch, 12. Dezember 2012

Insichgeschäft


Entgegen meiner Gewohnheit setze ich mich in der U-Bahn, um die Telefon-Streichler besser beobachten zu können. Was machen sie, wenn sie mit dem Finger über die Displays ihrer Smartphones streichen? Nicht wischen, wie es immer heißt. Ein Streichen ist das, das bei dazu passender zärtlicher Miene wie ein Streicheln wirkt. Obwohl vielleicht gerade nicht mehr passiert, als dass das Telefonverzeichnis durchgeblättert, präziser: durchstreift wird. Das allerdings Beobachtungen bei einer jüngeren und einer schon etwas älteren Frau, die sich ihre Smartphones gerade erst gekauft zu haben scheinen. Alle müssen eins haben und es werden Jahre vergehen, bis sie gemerkt haben, dass sie nie mehr damit gemacht haben, als zu telefonieren - und es zu streicheln.

Die radioaktiv markierten Zuckermoleküle sind frisch geliefert worden und ich bin der Erste, der welche bekommt. Der Arzt, der sie mir injiziert, trägt eine schmale schwarze Hornbrille, und ist ein guter Typ. Füher hätte einer wie er mir nicht gefallen. Heute morgen wäre ich gerne er. Alleine schon deshalb, weil ich dann der wäre, dem die Bilder aus der Röhre zur Analyse vorgelegt werden und nicht derjenige, der nach zwei Stunden Stillhalten und einatmen, ausatmen, Atem anhalten und jetzt wieder ganz normal atmen immer noch nicht weiß, wie schlimm es ist.

Die Suhrkamp-Verlegerin lässt uns nicht los. Viel Meinung und Tadel heute. Unbestritten: Siegfried Unseld wusste, was er tat, als er den Verlag seiner zweiten Frau anvertraute. Inzwischen steht Suhrkamp so gut da, wie lange nicht. - Ulla Unseld-Berkéwicz, sie kann´s. Schauspielerin, Romanautorin, junge Frau eines alten erfolgreichen Mannes, nur leider viel zu früh verstorben, Witwe. Unterschätzt, angefeindet. Hat sie ausgehalten. Jetzt nur noch der Tölpel Barlach mit seinem Drittel-Anteil. Kein Gegner für sie. Für jemanden wie ihn gibt es Anwälte. Wenn sie jemand zu Fall bringen soll, muss sie das schon selber machen. Mit einem Insichgeschäft (sie vermietet ihre Villa zu Repräsentationszwecken an ihren Verlag), wie es tausendfach gemacht wird, man darf nur nicht dabei erwischt werden, wenn draußen ein Barlach lauert. Jetzt steht ihre Position als Geschäftsführerin auf dem Spiel und der Ruf ist sowieso ruiniert. Durchtrieben, aber nicht durchtrieben genug, die Gier war größer als die Schläue, und das alles zusammen so schandbar und klein, siehe den strengen Tadel von Jürgen Kaube. Leitartikel-Strenge. Doch so ist das Leben nicht. Ich möchte sie nicht gehen sehen. Ich wünsche sie mir in einer wichtigeren Rolle. Suhrkamp ist fein, aber auch zu klein für so eine Frau. Keine Ahnung, was es für sie sein könnte, auf jeden Fall müsste es etwas sein mit mehr Strahlkraft in die Öffentlichkeit, so dass wir mehr von ihr sehen und mehr von ihr haben.  



Foto von 2004 via Wikimedia Commons: Fotografiert von Shannon.