Mittwoch, 26. September 2012
Fortsetzung folgt
Besser? Neu? Oder nur anders? - Gesucht wird ein anderer Realismus. Befreit von Klage, Beschwerde, Enttäuschung, Überdruss.
Kunst der Montage.
Morgen Abreise. Im Oktober geht es weiter.
Dienstag, 25. September 2012
Leipziger
Direkt neben dem legendären Diener die schmale Galerie von Emmanuel Post in der Grolmanstraße. Wenn man drinnen ist jedoch keineswegs beengend klein. Genug Fläche an den Wänden zum Hängen und ausreichend Raum, um die Exponate zur Wirkung zu bringen. Aktuell zeigt Emmanuel Post Arbeiten des Leipzigers Thomas Moecker. Er selbst ist auch aus Leipzig, seine Galerie dort hat er aufgegeben,
Emmanuel Post betrachtet gerade meine Visitenkarte. Zuvor habe ich ihm eine kurze Einführung in mein Blog gegeben: Blog ist Teil meines Lebens und deshalb momentan in einer schwierigen Phase. Ursprünglicher Plan war: Im Blog veröffentliche ich mein Leben. Zuletzt hatte ich den Eindruck, das Beschreiben des Elends ist selbst ein Elend geworden. Jetzt ist der Plan: Ich schreibe mir ein besseres Leben. Wie das geht, muss ich allerdings erst noch herauskriegen.
Galerie Emmanuel Post
Grolmanstraße 46
10523 Berlin-Charlottenburg
Eher nicht Adorno
Der Klingelton seines Samsung-Smartphones hört sich an wie ein Maschinengeräusch, das aus der Tiefe kommt. Zuerst denke ich, er hat den Motor der Spirale schon eingeschaltet, mit der er gleich die Verstopfung des Abflusses beseitigen wird. Das geht dann so schnell und leicht, dass er mir lieber mal seine Handynummer da lässt für den Fall, dass es Komplikationen geben sollte. Er hat ein starkes Problembewusstsein, weil einfach schon viel erlebt mit Verstopfungen und deshalb auch viel zu erzählen. Aber das macht nichts. Würde er nicht ständig reden, würde ich es tun. Er hat schwarze, leicht gelockte, am Kopf anliegende Haare und damit sieht er aus wie ein Intellektuellentypus, den es Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre gegeben hat: SDS-Mitglied, Enteignet-Springer-Button am Kragen der abgeschabten Wildlederjacke, Rothändle-Raucher und in der Tasche ein durchgearbeiteter edition suhrkamp-Band. Eher nichts von Adorno.
Gemeinfreie Abbildung via Wikimedia Commons:
Pflasterstein mit Anstecker "Enteignet Springer", 1969
Sammlung Kindheit und Jugend (Stiftung Stadtmuseum Berlin), Wallstraße, Berlin-Mitte
Foto: Andreas Praefcke
Montag, 24. September 2012
Chthonisch
Seit die Unterwelt keine Götter mehr beherbergt, gibt es dort zum Beispiel verstopfte Abflüsse und die Botschaften der chthonischen Mächte können im Badezimmer in Empfang genommen werden.
Der von der Hausverwaltung beauftragte Klempner meldet sich den ganzen Tag nicht. Das einzig wirksame Drano Power-Gel ist ausverkauft bei Rossmann und im dm-Markt. Anscheinend bin ich nicht der Einzige, der es augenblicklich mit den Mächten der Unterwelt zu tun hat.
Satz des Tages: Du verreist nicht, wenn in deinem Badezimmer Seuchengefahr droht. Formulierung für zarte Gemüter. In der Originalfassung ist von in Pfützen dümpelnder Kacke die Rede. Unterwelt. So geht es da zu.
Satz vom Wochenende war: Die Beschreibung des Elends ist selbst zum Elend geworden. - Ist die Botschaft aus der Unterwelt eine Antwort darauf? Und wo bekomme ich mehrere Behälter Drano Power-Gel her, um sie einsetzen zu können, wenn der Klempner sich morgen wieder nicht meldet?
Abreise um zwei Tage verschoben.
Sonntag, 23. September 2012
Pagenkopf
Samstag 17.40. Edeka. Geld ist Scheisse. - Geld ist Scheisse? - Das meine ich nicht ernst. Das ist auch kein Witz und nicht ein Traum streng nach Psychoanalyse-Lehrbuch. Ich kann meine Handschrift nicht lesen. Erst kurz bevor ich aufstehe, um meine Lupe zu holen, die allerdings auch nicht immer gleich hilft, da erkenne ich, es heißt Gleditschstraße. Samstag 17.40 Uhr. Edeka. Gleditschstraße. Folgt die Aufzählung meines kargen Einkaufs: Zwei Birnen, eine Flasche Essigessenz (zum Waschen), ein Liter Milch. Wegen der Milch und der Birnen für das Frühstücksmüsli war der Einkauf unaufschiebbar. Aber ich werde jetzt nicht den folgenden Text abschreiben. Siebeneinhalb Seiten. Trotz der großen Buchstaben teilweise kaum zu entziffern. Im Mittelpunkt des Textes steht eine große blonde Frau, die mich vom ersten Moment an, da ich sie gesehen habe, nicht interessiert hat, obwohl sie alles getan hat, um aufzufallen. Frau mit sehr langen Beinen und einem sehr kurzen Rock, vor dem Kühlregal kniend so, dass ich mich gefragt habe, ob ich schon einmal so viel Beine gesehen habe. Transparente, schimmernde braune Strumpfhose, hellbeige Kniestrümpfe mit Muster. Parodie eines Schulmädchens-Looks, falls die Frau Humor haben sollte. Zwei Töchter, die ältere hat dunkle Haare und wird einmal so groß wie ihre Mutter. An der Kasse Handygespräch der Frau mit ihrem Mann. Sie beschreibt ihm, was sie gerade macht. Uninteressant für mich, weil ich das ja sehen kann. Was der Mann gerade macht, erfahre ich, nachdem sie ihr Telefon weggesteckt hat und den Kindern erzählt, dass der Mann jetzt erst zum Drehen dran ist. Jetzt erst zum Drehen dran? Das können die Kinder auch nicht fassen. Da hätte er doch mit uns kommen können heute Morgen, sagt die kleine Tochter und die Frau sagt, dass er auch nicht auf seinen Schlaf hätte verzichten müssen, wenn er jetzt erst mit Drehen dran ist. Im Handschriftlichen setze ich mich jetzt bei dem Mann fest, weil ich mir über den nun alles Mögliche denken kann. Zugleich weiß ich, dass nichts so bedeutungslos ist wie das, was ich mir denken kann. Textentwurfzeit 12.50 Uhr. Gleich geht es weiter. Doch dann führt die Unterbrechung dazu, dass ich mich nun im Badezimmer festsetze. Keine Details. Mit dem Hauptabfluss stimmt was nicht, aber so, dass nicht nur das Badezimmer mit Abwasser volllaufen kann, wenn ich nicht aufpasse. Ich passe auf. Verstopfung? Luftblase? Wenn so etwas passiert, dann sonntags. Vielleicht ist es aber auch ohne Handwerkereinsatz hinzukriegen. Um 13.50 Uhr bin ich nicht mehr in Panik, habe etwas gegessen und frage mich, was will ich mit der großen blonden Frau, deren Dialog mit ihren Kindern mich schließlich so wenig interessiert hat, dass ich an die Kasse nebenan gegangen bin, als es dort schneller voranging. Große blonde Frau mit kurzen Haaren. Pagenschnitt. Unordentlicher Pagenschnitt. Der Kopf. Es sind nicht die Beine. Es ist der Kopf mit den kurzen hellblonden Haaren. Und jetzt weiß ich es auf einmal, was ich mit der Frau will. In meinem Text. Ich will ihren Kopf in die Hände nehmen und der Kopf ist ganz heiß und die große blonde Frau schreit: Du siehst mich überhaupt nicht mehr an!
Samstag, 22. September 2012
Tan Shoes with Pink Shoelaces
Die Büste ohne Kopf aus Bronze, 780 Euro. Die Aktentasche, Lindenholz, 2000 Euro. Sie kann geöffnet werden, der Griff ist beweglich.
>my sights<
Bis 1. Oktober 20212
Fotos: © w.g.
Freitag, 21. September 2012
Kitsch?
Wer ist Mary Dunn?
Und was ist mit den Schiesser-Unterhosen?
Morgen mehr.
Ausstellung in der
Kunstkammer Friedenau
bis 1. Oktober 2012
Sehenswert!
Kunst: © Mary Dunn
Fotos: © w.g.
Donnerstag, 20. September 2012
Mittwoch, 19. September 2012
Rückfall
Dass sie so selbstverliebt sind, heißt doch nicht, dass die Liebe glücklich ist. Im Grunde genommen können sie die Person, als die sie jeden Morgen aufwachen, nicht leiden. - Aber das bitte nicht schreiben. Am besten nur über die Bilder schreiben oder über diesen Stofffetzen und gerade noch, was sie sich denken über ihre Bilder oder den Stofffetzen. Meist angelesenes Zeug oder etwas, das sie mitgenommen haben von der Akademie. Auf jeden Fall nichts Persönliches. Eine Persönlichkeit hat jeder. Während ein Künstler etwas Besonderes ist, weil er etwas Besonderes tut. Zum Beispiel sich verstecken in oder hinter seinem Werk. Und dann komme ich an mit meinen Augen und Ohren überall und auf einmal steht neben dem Werk die Person aus dem Versteck und vom Aufwachen und sagt Sätze, wenn sie gewusst hätten, dass ich mir das alles merke, hätten sie die doch nie gesagt.
Typische Reaktion auf einen Blogeintrag von mir über die Begegnung mit einem Künstler oder einer Künstlerin: Keine Reaktion. Schweigen. Es sei denn, zufälliges Treffen hinterher. Dann: Ich wollte dir eine Mail schreiben, nachdem ich es gelesen habe, was du über mich geschrieben hast, aber .... . - Schon gut. Ich kenne das gar nicht anders, als dass die Leute sich danach nicht melden. - Ach? - Es gibt natürlich auch Ausnahmen. Du gehörst nicht dazu, Heuchlerin. - Ich bin schon lange darüber hinaus, mich zu beklagen. Aber von der Variante gestern doch noch mal überrascht gewesen: als die Künstlerin mir prompt eine Bilddatei geschickt hat, die mir fehlte bei meinem Blogeintrag über sie. Doch sonst kein Gruß, kein Kommentar, nichts. Wäre die Mail mit der Bilddatei im Anhang eine Tüte gewesen, hätte ich sie umgedreht und ausgeschüttelt in der Hoffnung, dass vielleicht noch ein persönliches Wort herausfällt. Nein. Nichts. Das schon wieder gut. Das setzt noch mal einen drauf auf Keine Reaktion, habe ich da gedacht und mir lieber nicht überlegt, wie es dazu gekommen sein mag. Bei ihr. Von mir weiß ich es: Habe ich mir selbst zuzuschreiben, dass es mir so ergeht. Weil das ein Rückfall war, was ich über die Art Week gemacht habe. Mit der DNS-Szene war alles gesagt. Alles andere war überflüssig. Ersatzhandlung, weil ich nicht weiter komme mit dem Einrichten der Biest zu Biest-Galerie. Weil ich dafür einen längeren Anlauf brauche als erwartet. Weil es nicht nur darum geht, anders über Kunst zu schreiben: nicht-feuilletonistisch, handelnd, verkaufend. Sondern auch um eine nochmal ganz andere Art, Künstlern hinterher zu laufen als bisher. Und weil es nur sehr wenige Künstler gibt, bei denen mir das nichts ausmacht.
Dienstag, 18. September 2012
Jurk
Julie August ahnte es schon im Text ihrer Einladung (*). Das Publikum könnte sich nach der Art Week eine Auszeit nehmen wollen von der Bildenden Kunst. Doch es ist, wie es ist. Heute nun mal der Achtzehnte des Monats und das heißt: nachher um 18 Uhr ist Showtime im 18m Salon (fka 18m Galerie). Gezeigt wird Malerei der Leipzigerin Nina K. Jurk. Titel der Ausstellung: Es ist die Stille. Auf der Website Julies gibt es dazu noch zwei Zitate, eines von der Künstlerin, eines von einem Professor, Sätze wie vorbeiziehende Nebelschwaden. Noch ein Grund, lieber zu Hause zu bleiben. Aber das wäre ein großer Fehler. Denn, was eine Malerin über ihre Bilder alles loslässt, ist völlig unerheblich. Was zählt, ist auf der Leinwand. Und das gilt auch für das Gerede von Professoren.
Wer es nicht schafft heute zu Julie August in die Akazienstraße, der hat noch bis 14. Oktober Gelegenheit, die Malerei von Nina K. Jurk in Originalen zu betrachten, muss dazu aber mit Julie August einen Termin vereinbaren, hat sie dann allerdings auch ganz für sich. Schätze ich mal. Denn gemacht habe ich das selbst noch nie, eine Ausstellung bei ihr zu besuchen nach Vereinbarung. Vielleicht mache ich es dieses Mal. Denn der Überdruss nach den zwei Kunstmessen letzte Woche ist schon noch sehr groß und ich kann es mir gerade überhaupt nicht vorstellen, Leute zu fotografieren, die vor gemalten Bildern stehen und seien sie auch noch so fein, zart und verwunschen, wie die von Nina K. Jurk.
(*) Als kämen in den letzten Tagen nicht schon genügend Einladungen zu Vernissagen … Auch bei 18m gibt es bald eine Eröffnung, immerhin aber mit einem Tag Pause nach der »Art Week«.
Kunst: © Nina K. Jurk
Montag, 17. September 2012
Gefühlsmomente
Nein, es ist nicht wie Cindy Sherman. Die New Yorkerin führt sich mit ihren Verwandlungen selbst auf. Nina Röder fühlt sich mit ihren Inszenierungen ein. Sie tritt nicht auf als Selbstdarstellerin, sie erzählt. In der Serie Theresia erzählt sie - in der ersten Person - vom Schicksal ihrer Großmutter, die nie über den Verlust ihrer sudetendeutschen Heimat hinweg gekommen ist. Bis heute nicht, wenn ich das richtig verstanden habe. - Wie monumental und unheimlich der Enkelin als Kind die Traurigkeit der Großmutter erschienen sein muss! Sechs Fotos, sechs Gefühlsmomente, ästhetisch überhöht und mit dem Stilisierungsrepertoire des klassischen Kinomelodrams nachempfunden.
Die vollständige Serie auf Nina Röders Website. Vergangenen Donnerstag habe ich mit ihr geredet auf der Preview am Stand ihrer Galerie. Messegespräch, Kurzinterview. Eines von den schnellen Gesprächen, wie ich sie mag. In sieben Minuten war alles gesagt und es blieb noch Zeit, um Fotos zu machen, und für einen herzlichen Abschied. Herzlich von meiner Seite wegen der großen Sympathie für Ninas Arbeit. Während sie mir zuvor schon beinahe um den Hals gefallen wäre, als ich sagte, dass das, was sie macht, etwas ganz anderes ist als das, was Cindy Sherman macht. Damit hat sie sich also rumzureißen, dass selbst die, die ihr eine Freude machen und wie ich sagen, nicht wie Cindy Sherman, trotzdem Cindy Sherman sagen.
Noch einmal ganz andere Gefühlsmomente hat Nina Röder in der Porträtserie Laura festgehalten. Inszenierung auch hier. Auch Einfühlung, zumindest der Versuch. Aber so leicht gelingt die hier nicht. Laura ist Ninas Cousine und Nina beschreibt im About-Text zur Serie, dass es in ihrem Verhältnis zu Laura unausgesprochene Ressentiments gibt. Was für mich nur heißen kann: Nina mag Laura nicht. Was man nicht sieht. Auch dann nicht, wenn man es weiß. Und dennoch fangen die Bilder dann noch einmal auf eine ganz andere Art zu erzählen an. Wie mit einer zweiten Stimme, die auf einmal im Hintergrund zu hören ist.
Kunst: © Nina Röder
Zusätzliche Fotos: © w.g.
Das Bild, weswegen ich am Stand des Kunsthaus Erfurt stehen geblieben bin und mich nach der Künstlerin erkundigt habe. Die Abbildung minderer Qualität wegen des reflektierenden Glasrahmens, aber eine bessere habe ich gerade nicht, da ich aus technischen Gründen nicht von Ninas Website kopieren kann.
19.09.12: Abbildung bester Qualität hier.
Sonntag, 16. September 2012
Unberücksichtigt
Nichts wird besser durch Nacherzählung.
Ob die Jury des Deutschen Buchpreises den Roman Johann Holtrop von Rainald Goetz deshalb nicht aufgenommen hat in die engere Auswahl von sechs Titeln, die an der Endausscheidung des Literaturwettbewerbs teilnehmen? - Hier ist sie: die Jury. Und hier in Die Welt: die empörte Reaktion eines Fans. Während der Autor der Neuen Zürcher Zeitung, dessen Rezension am gleichen Tag erschienen ist, sicher nicht überrascht war von der Nicht-Berücksichtigung des Goetz-Romans, den er in seiner Kritik als Dokument einer literarischen Anmassung bezeichnet hat. Und Goetz selbst? - Als ich mich gestern so intensiv beschäftigt habe mit ihm in Gedanken auf dem Nachhauseweg von der Hugendubel-Filiale, die es nicht mehr gibt, wusste ich noch nicht, wie prompt und empfindsam er reagiert hatte auf die Entscheidung der Jury (siehe unten, Gefeuert). Aber warum hat er sich diesem Verfahren und dieser Jury überhaupt gestellt? - Weil er mit dem Betrieb mehr zu tun hat, als er zugibt? Weil es ihm, egal worum es ihm sonst noch geht, immer auch ums Exzellieren geht. Weil seine Literatur immer auch Streberliteratur, Rechthaberliteratur war / ist. Und das hat er jetzt davon. Aber wie er auf die Niederlage reagiert, mit dem preußischen Schneid eines Urbayern, das würde einer, der kein Streber ist, gar nicht erst versuchen. Und das verbindet ihn mit seinem Titelhelden, den er dem Überflieger-Manager Thomas Middelhoff abgeschaut hat, und mit all den anderen Kameraden, die er aufmarschieren lässt, um ihnen seine Verachtung zu zeigen - von denen er also nur erzählt, um sich über sie zu erheben.
Was diese Zeiten menschlich so finster macht, ist nicht die Gier allein (siehe oben, Lesung zur Longlist), da gibt es noch etwas anderes und da ist Rainald Goetz und der Gestus seines Erzählens ein Teil davon. Das bei aller Verehrung, ohne den Roman gelesen zu haben, nach dem Eindruck der beiden Lesungen hier.
Mehr Videomaterial hier: Johann Holtrop - Sonderseite zum neuen Roman von Rainald Goetz
Samstag, 15. September 2012
Art Week 3
Milena Tsochkova bei Kuhn & Partner
Christoph Damm bei Kuhn & Partner
Nina Röder bei Kunsthaus Erfurt
Kunst: © die ausstellenden Künstler
Fotos: © w.g.
Freitag, 14. September 2012
Art Week 2
Der Kronleuchter hat eine Tonspur und klimpert, als hinge er an der Decke und würde vom Abendwind geschaukelt. Und der Mann hat einen Namen, der den Leuchter auf den Boden gelegt hat, aber ich finde den Namen nicht im Katalog der Berliner Liste 2012 und Notizen habe ich mir gestern nicht gemacht beim Rundgang durch das MUMA (MUSIK und MASCHINE).
Meistfotografiert 2:
Colourado. Und da ist er auch schon der Gagismus des sehr hoch eingeschätzten Michael Luther, der all seine Arbeiten durchzieht und mit dem er mit dem Arsch wieder umstößt, was er mit den Händen aufgebaut hat. In diesem Fall, in 1500 Arbeitsstunden das Motiv frisch aus den Tuben gedrückter Ölfarbe - also etwas, das auf einem Teller Platz hat - malerisch aufgeblasen auf eine Fläche von drei mal dreizehn Metern. So dass wir erst denken, das ist eine Landschaft, aber was für eine seltsame Landschaft ist denn das? - Gigantisierung ist die Bezeichnung für das, was Luther da treibt, und Trompe-l´oeil (täusche das Auge) ist das Ergebnis. Gagismus, sage ich doch, aber auch etwas, das wir gerne sehen. Würde ich jemand, ein Geschenk machen wollen, der eigentlich schon alles hat an schöner Einrichtung, würde ich ihm ein Bild von Michael Luther schenken. Vielleicht dieses:
Mir selbst gekauft hätte ich, wenn ich kaufen könnte, eine Arbeit von Svenja Schüffler. Und ich hätte lange hin- und herüberlegt, soll ich Apo(tropaion) I nehmen? - Ausschnitt:
Oder soll ich das Bild nehmen, weswegen ich stehen geblieben an Svenja Schüfflers Stand?
Ich hätte Aufgegebenes Taxon (Defunct Taxon) I genommen, das inszenierte Selbstporträt der Künstlerin. Und wenn sie will, werde ich die Arbeit in die Biest zu Biest-Galerie aufnehmen. Aber ich weiß nicht, ob ihr das hier nicht alles zu profan ist. Leserin der Schriften von Agamben. Ich, belächel, belächel, als ich sie das Buch wegstecken sah. Worauf sie sagte, dass sie diese Art von Lektüre braucht. So wie andere die Poesie, die notwendig ist, aber niemand weiß, wofür?
Die Poesie, die ich so nötig brauche, habe ich hier gefunden. Und das ist mein zweites Versagen. Ich habe nur eine Visitenkarte eingesteckt vom Team Titanic, der Galerie, welche die Installation auf der Messe präsentiert, aber ich weiß nicht, wie das Werk heißt und wer es geschaffen hat.
Ich kann den Stand auch räumlich nicht zuordnen. First Floor. Mehr kann ich mit Sicherheit nicht sagen - und dass man über einen anderen Stand reinkommt. Das sind kümmerliche Angaben. Aber die Suche lohnt sich.
Drei große Kunstmessen: Berliner Liste im MUMA, Preview Berlin Art Fair im Hangar 2 im Flughafen Tempelhof und abc Art Berlin Contemporary am Gleisdreieck. Welche empfehle ich für einen Besuch am Wochenende? - Berliner Liste, alleine schon wegen der Atmosphäre im Gebäude des ehemaligen Heizkraftwerks - und weil sie sich zurecht Entdeckermesse nennt. Während in Tempelhof das Durchgesetzte zu sehen ist: was die Leute eben so an Kunst kaufen. Dafür bietet die Preview den größeren Menschenauflauf. Gestern Abend war es jedenfalls so. Als ich schon aufgegeben hatte, in dem Gedränge Kunst sehen zu wollen, und nur noch Leute fotografiert habe, da habe ich doch noch eine Kunstentdeckung gemacht. Die Fotos morgen. Die Entdeckung bald. Und was ist mit abc Art Berlin Contemporary, der Messe von Berlins avancierteren Galerien? Heute Nachmittag war ich da und bin gleich wieder gegangen: Eine Pressekarte gibt es nur bei Vorlage eines Presseausweises. - Ich schreibe einen Blog. Ich habe keinen verf***ten Presseausweis, weil ich nicht von der verf***ten Presse bin. - Eine Pressekarte gibt es nur bei Vorlage eines Presseausweises.
Donnerstag, 13. September 2012
Art Week
DNS = Desoxyribonukleinsäure
Mehr über die Kunstmessen folgt.
Mittwoch, 12. September 2012
Kirche
Die Architektur ist schlimm. Das können auch die zwei Architekten nicht wegreden, obwohl sie sich sehr viel Zeit dafür nehmen.
Die beiden Architekten sind die Männer rechts außen. Beide beginnen sie ihre Beiträge, indem sie damit kokettieren, in ihrer Kindheit (oder war es die Jugend?) Ministranten gewesen zu sein.
Als endlich Johann König zu Wort kommt, erklärt er wegen seines Aufwachsens in den 80er Jahren (und dank der Aufgeklärtheit seiner Eltern, würde ich sagen), nicht Ministrant gewesen zu sein. Da entfährt es mir laut: Na ist doch gut so! Aber niemand hört das, weil ich da gerade auf der Empore bin und niemand in meiner Nähe steht.
Wer der Mann neben Johann König ist, das hat sich mir nicht erschlossen: nachdem ich ihm drei Sätze lang zugehört hatte, wollte ich es nicht mehr wissen. Vielleicht ein Architekturexperte wie der Mann im Auditorium, der sich unter dem Andrang seines Expertenwissens beinahe die Hand auskugelte beim Reden.
Der Mann, der hier mal Pfarrer war, erzählt, wie es ihn bewegt hat, als er ganz zuletzt das Kreuz von der Wand genommen hat.
Junger Galerist rettet 60er Jahre-Kirchenbau vor dem Abriss, um darin seine Galerie zu betreiben. Hey! Und das alles mitten in Kreuzberg. Das ist mutig. Und wieder macht einer einen Schritt weg vom verfluchten White Cube, der nur noch eine Leichenhalle der Kunst ist. In New York hat es einen ziemlich wilden Club in einer ehemaligen Kirche gegeben, in Berlin wird eine international renommierte Galerie eine ausgeräumte (profanierte) Kirche als Ausstellungs-, Büro- und Lagerraum nutzen. Tolle Geschichte! Aber da kriegt sie auch schon einen Knick. Denn so ist es nicht, dass Johann König im nächsten Jahr mit seiner Galerie einfach nur von der Dessauer Straße in die Alexandrinenstraße umzieht. In der Zeit bis dahin wird aufwendig umgebaut und es soll ein Kunst- und Kulturzentrum entstehen, von dem die Galerie nur ein Teil ist, und dieses Kunst- und Kulturzentrum muss sich selbst tragen, sagt Johann König und was immer das heißt, es ist langweilig, es ist so langweilig wie das Gerede der Architekten und wie die Architektur der Kirche hässlich ist, die sie nicht schön-, aber wichtigzureden versuchen. Warum tut ein Galerist seines Formats sich so etwas an? Warum gibt er sich mit diesen Architekten ab, wo er jeden Tag mit den von seiner Galerie vertretenen Künstlern reden kann? - Hätte er sich als Gastgeber doch nicht so zurückgehalten auf dem Podium und hätte uns erzählt, was ihn an dem Gebäude der aufgelösten katholischen Kirchengemeinde St. Agnes angerührt, angeregt, begeistert, gerockt hat und ihn immer noch rockt, begeistert, anregt, anrührt. Wenn es so ist. Zu spüren war nichts davon heute Vormittag. Doch: Gegen Ende, als Johann König uns empfahl, einen Rundgang zu machen, sprach er von dem tollen Garten, der sich auf der Rückseite des Gebäudes befindet. Da war sie auf einmal, die Vision. Denn von einem Garten ist dort noch nichts zu sehen.
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