Dienstag, 30. November 2010

Einleitung

Weiter mit meinem Roman. Am Samstag habe ich der Tess geschrieben. Verständigung über den Eklat in der Woche, nachdem es gerade erst so gut geworden war. Die Verständigung ist wie der Eklat Teil der Heimlichkeit, deshalb keine Einzelheiten. Sie hat sich gefreut, dass ich ihr wieder geschrieben habe (Fortsetzung aber nur in weiteren dringenden Fällen). Was ich ihr geschrieben habe, hat ihr nicht gefallen. Ich habe sie als naiv bezeichnet. Das denke ich schon eine Weile über sie, dass sie naiv ist; manchmal kommt es mir vor, es da drüben mit einem Kind zu tun zu haben. Dann aber auch immer wieder der gegenteilige Eindruck. Teil der schönen Verwirrung. Teil der wundersamen Geschichte. Ich kann es mir noch so oft einreden, dass die Geschichte zu Ende erzählt ist, sie geht weiter. Wie? Mal sehen, was die Tess macht.
Anfang eines neuen Kapitels. Geschichte vom Freund, auf dessen Hilfe ich hoffe und der sich letzte Woche nicht wie verabredet gemeldet hat. Auf meine Nachfrage hat er im Laufe der Woche dann noch reagiert. Davon später. Heute nur Einleitung. Der Freund und ich, wir kennen uns seit etwa 30 Jahren. Vor vier Jahren habe ich ihm die Freundschaft gekündigt. Ich habe es ihm in einer Mail, an der ich einen ganzen Nachmittag lang gesessen habe, erklärt warum, und als wir uns in diesem Frühjahr wieder versöhnt haben, habe ich es ihm noch mal erklärt. Dieses Mal ganz kurz mit einem Satz von Rainald Goetz, der in seinem Blog Klage stand (aus dem Gedächtnis zitiert): Aber ohne Freude aneinander es keine Freundschaft geben kann. - Bevor wir Freunde wurden, hatten wir geschäftlich miteinander zu tun. Er hatte einen kleinen Verlag, ich habe für ihn – gegen Bezahlung – lektoriert, seine Verlagswerbung getextet und ihn beraten. Das ist schon lange her. Mittlerweile verwaltet er einen geerbten und von ihm gemehrten Besitz. Da habe ich nichts dazu zu sagen. Meinen Rat sucht er trotzdem noch. Im Menschlichen. Und es interessiert ihn, was ich denke - politisch, kulturell, über mein Leben und das der Anderen. Was man so redet, wenn man einen Abend lang in einem Restaurant zusammensitzt. Das ist die Art, wie wir uns begegnen, seit ich in Berlin lebe und er regelmäßig in die Stadt kommt, um sich um seinen Besitz hier zu kümmern: Er lädt mich in ein teures Restaurant ein, wir essen, trinken und reden. Meinetwegen könnten wir uns auch unter anderen Umständen treffen, weniger zeremoniös. Doch für ihn ist es wahrscheinlich eine Nützlichkeitserwägung: Essen gehen muss er ohnehin, trifft er mich bei dieser Gelegenheit, muss er an diesem Abend nicht alleine essen. Egal. Freude aneinander. Was ist seine Freude an mir? - Er hört sich gerne meine Ansichten an, findet sie zum Teil zu extrem und regt sich darüber auf, einem anderen Teil stimmt er zu, macht sich vielleicht manche Ansichten von mir sogar zu eigen. Er findet es interessant, wie ich bin und lebe. Glaube ich. Genau weiß ich es nicht, denn er äußert sich dazu nicht und stellt mir auch keine Fragen zu meinem Leben. Darüber wundere ich mich immer wieder. Ist er denn kein bisschen neugierig oder interessiert er sich gar nicht für mich und mein Leben, sondern nur für meine Ansichten und meinen Rat oder isst er nur gerne mit mir zu Abend?  - Was ist meine Freude an ihm? – Wie er ist. Seine Art von Schlauheit. Seine Art von Humor. - Mal im peinlichen, aber liebevollen Stil einer Großtante: Die Schlauheit eines Schwarzwaldbauern, die er von der Seite der Mutter hat. Der Humor, den der Vater zusammen mit seiner Tüchtigkeit aus Galizien mitgebracht hat. - Beides zusammen, das immer wieder an ihm zu erleben, das ist meine Freude an ihm, aber noch nicht alles, was die Freundschaft ausmacht. Es gibt auch noch das Liebenswerte an ihm. das er hat, wenn er schwach ist, und das einen Beschützerreflex bei mir auslöst, den ich nicht bei jedem zeige. Und daneben gibt es all das, was mir überhaupt nicht gefällt an ihm. Eigenschaften, die er erworben hat in den letzten zwanzig Jahren im Umgang mit seinem Besitz, aber auch Eigenschaften, die er immer schon hatte und die er heute nur offener, ich könnte auch sagen, hemmungsloser zeigt. Eine dieser Eigenschaften ist - offenbar, möglicherweise, finden wir es heraus - Geiz. Von anderen seit langem schon gesehener, belächelter, hinter vorgehaltener Hand ihm nachgesagter Geiz. Zwischen ihm und mir nie ein Thema gewesen. Anderen gegenüber von mir kommentiert mit einem Achselzucken. Doch jetzt, da ich seinen Geiz erlebe (oder vorsichtig: zu erleben glaube), jetzt die Frage: Wie gehe ich damit um? Wieder Achselzucken? Nehme den Freund, wie er ist, mit seinem Geiz? Gehe ich mit Stillschweigen darüber hinweg? Oder will ich es von ihm wissen, wie das ist mit seinem Geiz, bevor ich ihn nehmen kann, wie er ist? Rede ich mit ihm darüber? Wenn das geht. Wenn er sich mir nicht weiter entzieht. Aber warum sollte er das tun? Er kann sich doch bekennen zu seinem Geiz und ihn mir erklären. Bei einem Abendessen. Essen gehen muss er sowieso und dann muss er an diesem Abend nicht alleine essen.

Montag, 29. November 2010

Linkisch

So viel zum Thema Internetverweigerer: Über Facebook nimmt Alex Rühle Kontakt mit mir auf. - Johannes Thumfart ist übrigens auch auf Facebook; da hätte er Alex Rühle also leicht finden können, checken sozusagen. Wie man das so macht, um starke Aussagen wie zum Beispiel Internetverweigerer auf ihren Tatsachengehalt zu prüfen. Alex Rühle schreibt mir: lieber herr gensheimer, sind sie der herr gensheimer, der gestern über die aufstand-"debatte" gebloggt hat? dann wollte ich nur sagen: danke. vielen dank, das hat gut getan ... . -  Eine Viertelstunde lang bin ich völlig aus dem Häuschen, weil ich gleich am Morgen eine Reaktion bekomme auf den Text, an dem ich gestern Abend gesessen habe. Und weil ich jemandem was Gutes getan habe damit und er sich auch noch dafür bedankt. – Was soll ich ihm jetzt zurückschreiben? – Ja, ich bin der. Gerade habe ich den Text korrigiert. Ich freue mich über Ihre Reaktion. Herzlichen Gruß. – Das ist spröde, das ist ungelenk. Und das ist so, weil in der Zurückgezogenheit meiner Dachwohnung, in der ich hocke wie in einem Hochbunker (ich denke mal Metapher mit Bunker ist trotz Führerbunker okay), bin ich nicht eingestellt auf einen Kontakt wie jetzt gerade; da bräuchte ich einen Anlauf von zwei oder drei Mails oder fünf Minuten Telefonieren ins Unreine, dann würde es gehen, weil eigentlich bin ich sehr kommunikativ. Nun aber gerade linkisch und ungewandt und außerdem: Was soll ich mehr dazu sagen? – Ich habe den Text nicht geschrieben, um Alex Rühle zu helfen, obwohl es schon so war, dass mir sein Artikel zum Aufstand-Thema trotz der starken Konkurrenz des Minkmar-Textes am besten gefallen hat. Ich habe den Post geschrieben, um das Thema aus dem Kopf zu kriegen, mit dem ich mich seit Tagen beschäftigt hatte, und je länger ich über diese Gasmetapher-Polemik nachdachte, desto mehr hat mich ihre Tücke gewurmt. Und da hatte ich die betreffende Passage des Thumfart-Textes noch gar nicht so genau gelesen wie später fürs Schreiben, als ich feststellte, dass alles in der Passage - angefangen vom Internetverweigerer bis zum Argument der Modernitäts- und Demokratiefeindlichkeit schlicht ausgedacht war, um es zurückhaltend zu formulieren. Allerdings war mir schon aufgefallen, dass niemand dem Axel Rühle beigesprungen ist. Sowohl die FAZ als auch die Süddeutsche hatten geantwortet auf die Thumfart-These, das Manifest von Unsichtbares Komitee sei ein rechter Text. Jürgen Kaube in der FAZ ganz entspannt und zurückgelehnt mit der Meinung: Der kommende Aufstand, das sei doch eigentlich Jugendliteratur und bitte mal die Kirche im Dorf lassen. Marc Felix Serrao in der Süddeutschen, indem er Thumfarts Rumgefuchtele mit Heidegger und Carl Schmitt überboten hat mit dem gelehrten Hinweis: Der Waldgang, Ernst Jünger; also wenn schon rechts, dann kultiviert, konservativ-anarchistisch. Doch keiner der beiden, nicht Kaube, nicht Serrao, ist eingegangen auf die Gas-Polemik. Weil sie es selbst anstößig finden als deutscher Journalist eine Metapher mit Gas zu bilden? Oder weil sie von der Thumfart-Polemik eingeschüchtert waren, zumindest insofern, als sie darauf bedacht waren, sich in dem Punkt keine Blöße zu geben? Oder weil sie sich zu fein dafür waren, sich mit so einem Blödsinn abzugeben? So oder so, sie haben ihren Kollegen Rühle in der Ecke stehen lassen, in die Thumfart ihn gehetzt hatte. Mit dem Ergebnis, dass in der taz am Samstag eine Replik auf Kaube und Serrao erschien, die die Gasmetapher-Polemik im Modus des Nachtretens wiederholte. - Auf meine spröde Mail mit dem treuherzigen Satz, dass mich seine Reaktion gefreut hat, schrieb Axel Rühle zurück: Na, ich freu mich erst, vor allem, nachdem die taz nochmal nachgelegt hat  ... . -  Da bin ich mir hinterher eine Viertelstunde lang noch linkischer vorgekommen, als ich es sowieso schon bin in meinem Hochbunker. Aber das macht nichts. Er hat sich gefreut. Ich habe mich gefreut. Und jetzt würde mich mal interessieren, was Johannes Thumfart denkt.

Sonntag, 28. November 2010

Metapher

Viel Feuilleton um ein linksradikales Manifest aus Frankreich. L´insurrection qui vient. Der kommende Aufstand. – Hätte es nicht das viele Feuilleton gegeben, ich wäre nie auf die Idee gekommen, das Manifest zu lesen. Ich bin 58 Jahre alt. Aufstände, die kommen werden, interessieren mich nicht. Jetzt oder nie! – Deshalb wären auch die Artikel über das Manifest von Nils Minkmar in der FAZ und Alex Rühle an mir vorbei gegangen, hätte es nicht dann noch den Artikel in der taz von Johannes Thumfart gegeben, der aus dem Feuilleton richtig viel Feuilleton gemacht hat (*). - Alex Rühle schreibt in der Süddeutschen Zeitung über Der kommende Aufstand: Das Besondere an dem Buch ist dessen glänzender Stil. Der Text kommt ohne das sonstige phraseologische Sperrholz linker Pamphlete aus, die Autoren schreiben mit situationistischem Schwung und gleichzeitig düsterrevolutionärem Zorn eine "Ästhetik des Widerstands" für das neue Jahrtausend. Der erste Teil ist in sieben "Kreise" unterteilt, ein Verweis auf Dantes Inferno. In der Hölle unserer Tage ist der Mensch eine kleine, überflüssige Konsum-Monade, der als Lebenssinn nur das kalte Neonlicht der Warenwelt bleibt. Das System ist überall, fast wie Gas ist es noch in die letzten Ritzen des Privatlebens gedrungen. Aber gerade weil es unbesiegbar und übermächtig ist, muss man jetzt dagegen aufbegehren. - Wie gerne hätte ich jetzt die Mienen der Leser beobachtet, um zu sehen, ob es ein Stutzen, Stirnrunzeln oder ein schmerzhaftes Gesichtverziehen an einer bestimmten Stelle gegeben hat. - Rate, rate, welche könnte es sein? – Hier nun, was dem taz-Autor Johannes Thumfart an dem Text aufgefallen ist. Wobei zu bemerken ist, dass der Autor von vornherein nicht gut zu sprechen ist auf Alex Rühle, weil der nämlich ein Internetverweigerer ist und als solcher muss er bezeichnet werden und stigmatisiert werden, weil er einmal einen Selbsterfahrungsversuch gemacht hat, ohne Internet zu leben, und darüber geschrieben hat. Das nur als Einstiegshilfe in den Text von Johannes Thumfart: Weitgehend kritiklos bestaunt der Internetverweigerer den "düsterrevolutionären Zorn" des Buches, seine "Aura der Hellsichtigkeit" und seine "heroische Melancholie". Gerade die darin vertretene "Partizipationsverweigerung" sagt ihm zu. Sein Urteil lautet kurz, es handele sich um "ein Weißbuch des Überlebens in stürmischen Zeiten". Und auch zu weiteren Entgleisungen lässt er sich verleiten: "Das System", schreibt er, "ist überall, fast wie Gas ist es noch in die letzten Ritzen des Privatlebens gedrungen." – Die richtige Antwort auf meine Frage oben lautet also: Gas. – Das ist eine Entgleisung, zu der sich Alex Rühle hat verleiten lassen von seiner Lektüre des Manifests. – Aber warum ist das eine Entgleisung? – Johannes Thumfart: Das Merkwürdige an der Gasmetapher ist nun: Sie ist nicht als Zitat gekennzeichnet und stammt auch nicht aus dem Text, weder aus der französischen noch aus der deutschen Ausgabe. Es ist der Rezensent, der hier schreibt - ein deutscher Journalist, der damit den globalen, demokratischen, marktwirtschaftlichen Zusammenhang bezeichnet, gegen den das Buch wettert. Die Gasmetapher ginge sogar für den paranoischen Duktus des Textes selbst zu weit. – Schritt für Schritt. Worin besteht die Entgleisung? – Der Autor hat die Metapher selbst gebildet. Den Eindruck, er habe sie übernommen, hat er allerdings nicht erweckt; er hat sie nicht in Anführungsstriche gesetzt und so getan, als wäre es ein Zitat. Nächster Schritt: Er hat diese Metapher verwendet als deutscher Journalist. Journalist ist wohl nicht das Problem, auf deutsch scheint es anzukommen. Und er hat mit dem metaphorischen Gebrauch der Gasmetapher bezeichnet den globalen, demokratischen, marktwirtschaftlichen Zusammenhang, gegen den das Buch wettert. – Hat er das getan? – Der Satz vor der Gasmetapher lautet: In der Hölle unserer Tage ist der Mensch eine kleine, überflüssige Konsum-Monade, der als Lebenssinn nur das kalte Neonlicht der Warenwelt bleibt. Das Manifest referierend konturiert Alex Rühle eine Lebenswelt, die er als Hölle bezeichnet, in der Menschen reduziert werden auf den Status von Konsumenten, deren Dasein keinen anderen Sinn hat, als den Werbebotschaften (kaltes Neonlicht) des Warenangebots zu folgen. Das fasst er daraufhin zusammen mit dem Begriff System, das ich ganz platt mit dem 70er-Jahre-Begriff Konsumismus bezeichnen möchte, und von diesem System, dem Konsumismus sagt er, dass es wie Gas noch in die letzten Ritzen des Privatlebens eindringt. – Die Erde bleibt eine Kugel, die Demokratie wird zwar nicht bejaht an dieser Textstelle, aber auch nicht in Frage gestellt und das gleiche gilt für die Marktwirtschaft. Es geht Alex Rühle mit seiner Metapher um die Allgegenwart des Konsumierens und seine Auswirkungen auf das Privatleben der Menschen. Ist das eine Entgleisung? Das kann Johannes Thumfart nicht gemeint haben, und wenn, dann hat er etwas missverstanden – Ist es also der deutsche Journalist, der die Entgleisung verursacht hat. Als deutscher Journalist hat Alex Rühle die sogenannte Gasmetapher gebildet, hebt Johannes Thumfart hervor und verzichtet darauf, das zu erläutern, als wäre damit schon alles gesagt. Skandal: Deutscher Journalist bildet Gasmetapher! – Aber was ist der Skandal? – Ich kann es mir nur so erklären, dass Johannes Thumfart meint, dass ein deutscher Journalist keine Metaphern mit Gas bilden darf, weil mit Hilfe von Gas industriell organisierter Massenmord an Millionen jüdischer Menschen verübt worden ist. - Ist es das? – Und wenn das so ist, warum spricht er das nicht aus? – Um sich die Möglichkeit offen zu halten, dann sagen zu können, nein, so habe er es nicht gemeint, wenn man ihn darauf festlegt? Oder weil er es für eine solche Selbstverständlichkeit hält, dass er meint, es nicht aussprechen zu müssen? Weil das jedem klar sein, muss das das nicht geht nach Auschwitz. eine Metapher mit Gas zu bilden? – Ich denke nach: Über den Toren einiger Konzentrationslager, zum Beispiel dem von Auschwitz, stand Arbeit macht frei? Arbeit. Frei. Keine Metaphern mit Arbeit und frei? Die Opfer wurden mit der Eisenbahn in Güterwagen aus ganz Europa nach Polen transportiert. Eisenbahn. Güterwagen. Keine Metaphern mit Eisenbahn und Güterwagen? – Meint er das? Oder geht es ihm nur um das Wort Gas? Ist er da vielleicht lebensgeschichtlich vorbelastet? Gehörte jemand aus seiner engeren oder weiteren Verwandtschaft vielleicht zum SS-Personal, das in unmittelbarer Nähe der sogenannten Gaskammern tätig war, vielleicht sogar mit dem Einbringen des Insektenvernichtugsmittels Zyklon B betraut, welches das tödliche Gas (Blausäure) freisetzte? War deshalb in seiner Familie das Wort Gas mit einem Tabu belegt und ist es bis heute geblieben? Oder ist er nur jemand, der mit einer Empfindlichkeit hantiert, die er gar nicht hat, um jemanden anderen auszugrenzen? Ist er einfach nur ein streberischer Wichtigtuer, der sich mit künstlicher Aufgeregtheit zu profilieren versucht? Ein streberischer Wichtigtuer, der mit Absicht fehldeutet, missversteht und verzerrt? Aber wie kommt sein Text dann in die taz? – Am Ende des Artikels bekennt er sich zu den stets neu zu verwirklichenden Zielen von 1776 und 1789. Zu denen bekenne ich mich auch. Zu denen bekennt sich bestimmt auch Alex Rühle. Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Bei Johannes Thumfart weiß ich nicht, was ich ihm glauben soll.
(*)
Unsichtbares Komitee: Der kommende Aufstand (2007)
Nils Minkmar, Seid faul und militant!
Alex Rühle, Das kommunale Manifest
Johannes Thumfart, "Fast wie Gas"
Marc Felix Serrao, Das hat er vom Vater
Jürgen Kaube, Den Hass genießen
Andreas Fanizadeh. Der kommende Lautstand

Samstag, 27. November 2010

Hiob

Gleich nach dem Aufwachen das Gespräch mit Peter von gestern Abend. Mal nachlesen, wie viele Söhne und Töchter und wie viel Stück Vieh Hiob hatte, um den Kalauer vorzubereiten: Gut, dass Peter nur einen Sohn hat und der inzwischen weit genug von ihm weg irgendwo am Kleistpark untergeschlüpft ist, weil er das Elend seines Vaters nicht mehr mit ansehen kann, und dass Peter keine soundsoviel Stück Vieh hat, sonst wären die nämlich jetzt alle hin. So hat er nur nach dem Zungenbodenkrebs, der Diabetes-Diagnose, dem Burnout-Syndrom, der depressiven Episode, der Anpassungsstörung und einem in den Alkoholismus entglittenen Weißweinmissbrauch nun auch noch einen doppelten Zehenbruch. Das ist nämlich die Ursache der Schmerzen in seinem rechten Fuß, die ihn seit letztem Wochenende noch unbeweglicher machen als er es ohnehin schon ist wegen seines Phlegmas.  – Buch Hiob: Das ist die Geschichte, in der der Satan, den man sonst im hebräischen Teil der Bibel eher selten sieht, mit Gott eine Wette abschließt. Eine Wette darauf, wie der bis dahin ganz gut im Leben weggekommene Hiob sich verhalten wird, wenn er alles verliert, was er hat, außer seinem Leben. Ob er dann auch noch so ein ergebener Diener Gottes sein wird oder ob er das nur so lange war, wie er vom Leben, also von Gott verwöhnt wurde. – Wie kam ich von Peter auf Hiob, obwohl Peter keine Schaf- und Kamel-Herde hat und wir alle wissen, dass es keinen Teufel gibt? – Weil Peter gestern Abend zu meiner Verwunderung darüber gesprochen hat, dass er sein nicht enden wollendes, in immer neuen Versionen auftretendes Unglück als Prüfung betrachtet – und weil ich fast den Eindruck hatte, dass es ihm gefällt, in diesem Ausnahmezustand zu sein: Der Fuß geschwollen und gerötet. Der Arzt hat von Blutvergiftung gesprochen, die droht. Deshalb ständiges Wechseln des Verbandes erforderlich, Einschmieren mit Betaisodona-Salbe. Das auf dem Boden hockend, weil Herunterbeugen geht nicht. Auch sonst geht Bewegen kaum. Er schafft es nicht mal bis zur Wohnungstür und schon gar nicht zum Briefkasten. Seit einer Woche nichts mehr eingekauft. Kein Klopapier mehr; er hilft sich mit gebrauchten Tempo-Taschentüchern. Die letzte Konserve, die er gestern noch hatte, war Rotkohl. Den hat er gegessen mit nichts dazu. Nicht mal ein Ei hat er mehr im Kühlschrank. Drei Zigaretten hatte er noch gestern Abend um 21.45 Uhr und fünf Vivil. Der Sohn zickt schon die ganze Woche rum, lässt ihn hängen. Die Freundin würde helfen, er will sie aber nicht in Anspruch nehmen. Was ich merkwürdig finde. Warum kommt sie nicht einfach mit zwei Tüten voll Lebensmitteln und einer Stange Zigaretten die Treppe hoch und sagt, hier Schatz? Aber wer weiß, was er ihr erzählt. Vielleicht findet er es unter seiner Würde, sich von ihr helfen zu lassen. Denn so erlebt er den Ausnahmezustand - wörtlich: Ach ja, interessant. So kann es also auch sein. Wie gehe ich jetzt damit um? Wie damals bei der Krebsoperation, sagt er, steht er neben sich und beobachtet sich und fragt sich: Bewältige ich das und bewahre ich dabei meine Würde? Oder bin ich nur noch am winseln und gebe mich auf? – Dazu erzählt er, dass er sich schon immer in seinem Leben damit beschäftigt hat, wie er in einem Katastrophenfall sich verhalten würde. Nicht als Anführer hat er sich da gesehen in diesen Phantasien. Aber als einen, der nicht durchdreht und in Panik gerät, sondern der seinen Mann steht. - Dass er sein augenblickliches Elend vergleicht mit einem solchen Szenario, verstehe ich. Denn auch mit herabstürzenden brennenden Balken und Scharfschützen im Haus gegenüber könnte es ihm nicht verratzter gehen als jetzt. Aber dass er solche Phantasien hatte und dass er die jetzt abruft? - Was für eine Aufführung von Narzissmus, habe ich gestern gedacht, als ich ihm zuhörte. Selbst so tief in der Scheiße posiert er noch vor dem Spiegel und für die Galerie. - Doch nachdem mir heute Früh der Hiob-Kalauer eingefallen ist, sehe ich es anders und mit Respekt. Peter macht nichts anderes als Hiob. Kein Aufhebens. Duldungsstarre. Nur, dass Peter es ohne Gott macht. Dass er ganz auf sich gestellt ist. Gestützt nur auf seinen Stolz. Und für den braucht er nun mal den Spiegel und das Publikum. Ohne Spiegel und die anderen funktioniert Stolz nicht. - Der Original-Hiob geht so aus, dass Hiob trotz zwischenzeitlichem Zweifeln und Hadern, sich in sein Schicksal fügt, sein Vertrauen in Gott bewahrt und dafür von Gott belohnt wird. Er hatte sieben Söhne und drei Töchter und seines Viehs waren siebentausend Schafe, dreitausend Kamele, fünfhundert Joch Rinder und fünfhundert Eselinnen, und (..) viel Gesinde  - das alles hat er verloren und jetzt bekommt er es von Gott doppelt zurück. – Wie es mit Peter weiter-, wie es bei ihm ausgeht? - Fortsetzung folgt. Wenn möglich, dann in einer der nächsten Peter-Episoden mal was über seinen Sohn. Was ist mit dem eigentlich los? Warum zickt der so rum? Ich verstehe es nicht. Peter versteht es auch nicht. Heute allerdings wollte er kommen und für seinen Vater Einkäufe machen.
(Die erste Fassung des Textes, die feuilletonistische Bläh-Version, von der ich mir nur ungern getrennt habe wegen des Songs steht hier)

Freitag, 26. November 2010

Gender

Mir liegt immer noch der Truthahn von gestern im Magen. Ich fürchte, ich habe einen Verrat begangen. Ich bin ein Biest. So schlimm war es doch gar nicht, was sie gemacht hat. Aber es hat sich dabei etwas gezeigt. Vielleicht habe ich nur darauf gewartet, dass es sich zeigt. Meine Gefühle kenne ich heute nicht. Verführung ist auch eine Art von Herrschaft. Ich bin nicht ihrer Verführung erlegen. Ihre Verführungskunststücke waren lächerlich. Von einem atavistischen Entwurf von Frausein war die Rede in diesem Zusammenhang. Verstrickt habe ich mich in dieses atavistische Frausein. Geliebt habe ich sie und wahrscheinlich liebe ich sie immer noch. Ihre Verführungskunststücke: Hit and run. Erst auf sich aufmerksam machen und dann weglaufen. Vor der drohenden Belästigung. Bestimmt wäre meine Annäherung, wenn sie erfolgt wäre, dann erst mal als unerwünscht verhandelt worden. Geziere als Demonstration von Souveränität. Wie geht so etwas weiter? Wie geht so etwas aus? Nie erlebt. Frauen, die so agieren, haben mich nie interessiert. Wäre es nur die Verführung gewesen, wäre es beim Lachen geblieben. Die Rührung über diese Art von Verführung war es. Nicht die Verführung. Was bist du denn für eine? Was machst du denn da? Das hast du doch gar nicht nötig bei deiner Anmut. Ich sehe dich doch auch so schon an die ganze Zeit. Das Übereinanderschlagen ihrer Beine, wenn sie am Rand des Schwimmbeckens saß, um sich ihre Haare zusammenzubinden. Mehr als übereinanderschlagen war das: ineinander verschlungen hat sie ihre Beine. Ihre schönen Beine. Kann man sich in Beine verlieben? Unantastbarkeit hat sie mir signalisiert mit dem Ineinanderschlingen der Beine. Ich war gemeint mit dem Ineinanderschlingen der Beine. Das hat sie für mich gemacht und damit hat sie mich berührt. Kann man sich ins Gemeintsein verlieben?  - Da schon mittendrin in der Geschichte. Geschichte, wie zuvor noch keine erlebt. In eine Geschichte kann man sich verlieben. Geschichte von der Möglichkeit einer Liebe. Bei der Möglichkeit ist es immer geblieben. Bis jetzt.

Donnerstag, 25. November 2010

Thanksgiving

Bitte hinnehmen, dass ich es für mich behalte, was das für ein Experiment war gestern. Es ist zu intim. Und darum ging es auch in dem Experiment: um Intimität. Darum, Intimität herzustellen auf eine sehr eigenwillige Art. Alles, was die Tess und ich machen, ist eigenwillig. Eigenwilligkeit ist das, was uns verbindet. Das Experiment war kein Erfolg. Es war ein Anfang. Das beste Ergebnis des Experiments war das Gefühl, es gemacht zu haben. Das Experiment zusammen gemacht zu haben, hat die Nähe und Intimität hergestellt, die uns im Experiment selbst nicht geglückt ist. – Doch heute, sozusagen bei der Auswertung des Experiments, ist etwas passiert – was und wie ist Teil der Heimlichkeit –, das mich so geärgert hat, dass ich das Experiment jetzt nicht mehr fortsetzen will. Nicht aus Trotz oder Beleidigtsein, sondern aus der beim Ärgern gewonnenen Einsicht, dass es nicht geht, weil es mit der Tess keine Gemeinsamkeit für mich gibt und deshalb auch keine Nähe, keine Intimität geben kann. - Erinnerung: Gestern auf den Tag genau vor einem Jahr haben wir uns gegenüber gestanden in dem McGeiz-Laden in der Hauptstraße (siehe Brief). Vorher hatte es so etwas wie eine Verabredung gegeben. Nachdem sie mich dann auf der anderen Straßenseite bemerkt hat, ist sie in den Laden hinein gegangen, um mir die Möglichkeit zu geben, sie anzusprechen dort. Ich bin ihr gefolgt. Ich bin zu ihr hingegangen, habe sie von der Seite angeguckt, habe mir eingebildet ein Unsichersein, ob sie es ist, habe mich verwickelt in dieses Unsichersein und bin wieder gegangen. Sie hat da gestanden und, als ich zu ihr trat, mich nicht angeschaut, sondern auf ein Warenregal geblickt; sie hat auch nicht gelächelt, um mir ein Erkennen zu signalisieren und mich zu ermutigen; sie stand da mit der verschlossenen Miene, die ich schon vorher an ihr gesehen hatte. An der hätte ich sie eigentlich erkennen müssen. Aber es ging gar nicht um Erkennen. Was uns gehindert hat, sie gehindert hat, mich gehindert hat, war Unsicherheit, meine Unsicherheit, ihre Unsicherheit. Die hat uns beide unfähig gemacht, das Wenige und Selbstverständliche zu tun, das notwendig gewesen wäre, um Hallo zu sagen und gemeinsam schnell den bescheuerten Laden zu verlassen, den sie ausgesucht hatte für diesen Moment. - Ein Jahr später, gestern, zur gleichen Tageszeit, gab es wieder eine Verabredung. Die hatte nichts zu tun mit einer Jahrestag-Sentimentalität. Es war Zufall, dass es der gleiche Tag, die gleiche Zeit war. Es hatte sich durch Ereignisse in der letzten Woche ergeben, dass es zu dieser Verabredung gekommen ist. Die Idee zu der Verabredung hatte ich. Den Anstoß dazu hat sie gegeben. – Von Erinnerung bis Anstoß ... gegeben, das ist eine Passage aus dem Text, den ich heute Vormittag geschrieben habe über das Experiment von gestern. Unsicherheit als Erklärung für die Verrücktheit unserer Unfähigkeit zueinander zu kommen. Nachdem dann das passiert war, was dazu geführt hat, dass ich das Experiment nicht mehr fortsetzen will, habe ich das hier geschrieben: Es könnte sein, dass die Tess und ich uns einfach nicht verstehen. Dass wir kein Verständnis für einander haben, und das fängt schon an bei der Körpersprache. Dass wir zwei Leute sind, die einfach nicht können miteinander. Das wäre dann auch eine Erklärung dafür, warum wir zu einem Kennenlernen nicht in der Lage waren: ihre und meine unbewussten Reflexe haben es verhindert - um unser Überleben zu sichern. – Aber warum ziehen wir uns dann so an und hören nicht auf damit, es zu tun? – Das ist das Rätsel. Wir beide sind das Rätsel. Nicht sie ist ein Rätsel, wie ich es mir immer eingeredet habe. Die Tess ist so einfach und so durchsichtig wie ich. Und was sie sich wünscht, das weiß ich inzwischen, ist gar nicht so verschieden von dem, was ich mir wünsche. Vielleicht ist es sich sogar sehr ähnlich, was wir uns wünschen, und deshalb ziehen wir uns so stark an. Aber wir können nicht miteinander. Warum sie nicht mit mir kann, das muss sie wissen. Dass ich nicht mit ihr kann, liegt daran, dass sie herrschen will. Das ist ihr Plot: herrschen zu wollen. Ob das generell ihr Plot ist, das weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist es ihr Plot mir gegenüber. Und das geht nicht. Ich bin nicht beherrschbar. Keine Frau, kein Mann, niemand kann mich beherrschen. Von meiner Katze habe ich mich beherrschen lassen. Aber das war ein Spiel. Ich habe es zugelassen, und wenn es mir zu viel wurde, habe ich sie kurz angebrüllt. – Darf man seine Katze anbrüllen? – Natürlich nicht. Streng verboten! Aber ich habe es gemacht. Darauf hat sie mir einen verächtlichen Blick zugeworfen mit der Botschaft: Mit was für einem Gemütsproll habe ich es hier zu tun! und dann hat sie sich arrogant abgewandt und sich in ihre Welt zurückgezogen, bis sie was zu fressen brauchte und dann war wieder alles gut. Ende Abschweifung. Und die ist selbstverständlich kein Kommentar zur Tess. Mein Neuestes: eine Episode mit einer Abschweifung beenden (siehe gestern das mit dem Barbour). – Thanksgiving. Heute wird in den USA Thanksgiving gefeiert. Ich weiß nicht, ob es ihr etwas bedeutet, aber da sie nun mal Amerikanerin ist: Happy Thanksgiving, Tess! - Und das noch: Bei der Morgenlektüre habe ich gelernt, dass es an Thanksgiving den Brauch der shout outs gibt. Der besteht offenbar darin, dass man beim Thanksgiving-Essen aufsteht wie zu einem Toast und einen Dank ausspricht, nicht für den Truthahn oder was sonst noch zum Essen auf dem Tisch steht, sondern einen Dank an eine Person, die am Tisch sitzt oder die heute nicht bei uns sein kann.– Obwohl ich als Europäer keinen Anteil am Thanksgiving-Mythos habe, hier mein shout out: Danke, Tess! Für unsere Geschichte. Und für den Blog. Ohne Dich würde es ihn nicht geben. - Und gleich noch ein shout out: Dank an alle, die den Blog lesen.

Mittwoch, 24. November 2010

Cent

Weiter mit dem Geldthema. Heute mal ganz anders. Auf dem Rückweg vom Schwimmen im Hallenbad am Sachsendamm. Der große Obst-und-Gemüse-Verkauf an der Ecke Haupt-/Dominicusstraße. Die riesigen türkischen Abate-Birnen, Kilo 2 Euro 99. Zwei Stück. Der Mann mit der grünen Schürze nimmt sie mir nicht ab. Ich soll sie auf die Waage legen, knurrt er. Wiegt sie, zieht das Preisetikett aus der elektronischen Waage, klebt das Etikett auf die Tüte und sagt: 2 Euro 21. – Ich sage: Der Cent is´n Witz. – Mach ich gleich weg, murmelt er. Wenn ich ihn richtig verstanden habe. Ich gebe ihm 3 Euro in die Hand und dann dauert es eine Weile mit dem Wechselgeld. Der Laden ist noch nicht organisiert. In dieser Kasse noch kein Geld, in der auch nicht. Er geht nach drinnen zur Hauptkasse. Endlich. Er zählt das Wechselgeld in seine Hand. Jetzt bin ich mal gespannt. Er gibt mir auf die drei Euro 80 Cent heraus - und sagt: Bitte sehr, mein Herr. - Pointe des Erlebnisses. Nicht, dass er den Cent auf meinen Einwand hin weggemacht hat. Pointe ist, dass er mich erst unfreundlich behandelt hat, als er mich anknurrte, ich soll die Birnen auf die Waage legen, und jetzt, nachdem ich den Cent runtergehandelt habe - was nur eine symbolische Aktion war, mit der ich ihn getestet habe und meinen Tag -, jetzt behandelt er mich freundlich und respektvoll und nennt mich mein Herr, obwohl ich gerade nach allem anderen aussehe als nach einem Herrn mit meiner vom Schnee-Geniesel feuchten schwarzen Kapuze und meiner ollen abgewetzten grünen Barbourjacke, die ich nur deshalb trage, weil sie mein einziges nicht-schwarzes Oberbekleidungsstück ist und ich mir verspreche, dass ich mit ihr in der Dunkelheit besser sichtbar bin beim Überqueren der Straße. – Zu Hause ein Anruf von der Sparkasse Heidelberg, Filiale Handschuhsheim. Herr Z., mein Kundenberater, meldet sich und sagt: Herr Gensheimer, es gibt ein Problem. – Oh Scheiße, denke ich. - Er weiter: An einem Bankautomaten in Berlin, bei dem Sie Geld abgehoben haben, wurden Kundendaten ausgelesen im Zeitraum von … bis … . Den Zeitraum kriege ich nicht mit wegen der sich überschlagenden Gefühlsreaktion, die bei mir gerade abläuft: von mulmig, weil ich fürchte, jetzt geht es gleich um meinen Dispokredit, über erleichtert, es geht nicht um meinen Dispokredit, zu erschrocken, viel ist da zwar nicht abzuräumen von meinem Konto, aber wer weiß, was das internationale Verbrechen alles drauf hat. Doch nein, nein. Meinem Konto ist nichts - noch nichts passiert. Herr Z. möchte nur, dass ich mich damit einverstanden erkläre, dass sie meine EC-Karte sperren. Wenn ich die paar Euro, über die ich noch verfügen kann, abheben will, soll ich es tun, bevor das geschieht. Und da es vierzehn Tage dauern wird, bis ich eine neue EC-Karte bekomme, erhöht er mir gerne mein Limit. Ich staune und danke für das Entgegenkommen. Danke auch für die Benachrichtigung und lobe die Wachsamkeit der Sparkasse. Lobe zweimal, danke zweimal. Bin unangemessen beflissen - wegen der Nachwirkung meiner komplexen Gefühlsreaktion zu Anfang des Gesprächs. Obwohl es eine Selbstverständlichkeit ist, wie die Sparkasse in Person von Herrn Z. den Vorfall abwickelt. Und das zeigt mir der Kundenberater auch, indem er auf mein zweites Danke antwortet: Und ich bedanke mich dafür, dass ich Sie gleich erreicht habe. - Was keineswegs ironisch gemeint ist, sondern bedeutet: die Sparkasse hat ein Problem und sie kümmert sich darum und gut, dass das so zügig möglich war. - Nach dem Geldabheben, wieder bei der Filiale der Berliner Sparkasse in der Hauptstraße, bei der ich Geld abgehoben im Zeitraum der kriminellen Aktivität, versuche ich mehr herauszufinden über den Vorfall. Erfahre aber nur, dass der Kartenschlitz des Terminals manipuliert worden ist und dass zusätzlich eine Kamera im Einsatz gewesen sein muss, welche die Eingabe der Geheimzahlen aufgezeichnet hat. Bei meinen anderen Fragen, zum Beispiel wie das passieren konnte während der Geschäftszeiten und wie viele Kunden betroffen sind, verbirgt sich die sehr junge Sparkassen-Angestellte, mit der ich spreche, geschickt hinter Naivität oder sie weiß es wirklich nicht. Das noch: Sie haben es erst mitgekriegt, als eine Art Aufmerksamkeitssystem registriert hat, dass mit den Daten von Berliner Sparkassenkunden in einem fernen Land, welches hat die junge Frau nicht gesagt, Geld abgehoben wurde. Aufmerksamkeitssystem formuliere ich so gespreizt, weil Überwachungssystem ist das nicht zu nennen, wenn die kriminelle Aktivität erst bemerkt wird, nachdem der Schaden sich auszubreiten beginnt. Es war kurz nach halb sechs am Abend, als ich Geld abgehoben habe im Vorraum der Filiale. Der Eingang zum Hauptraum stand weit offen. Drinnen saßen die MitarbeiterInnen an ihren Tischen und führten Kundengespräche. Im Vorraum gab es eine Kamera, die da nicht hingehörte und eine simple Elektronik zum Datenlesen, die im Kartenschlitz eines oder mehrerer Terminals steckte. Es kann natürlich sein, dass der Schaden, der durch diese Art von Kriminalität entsteht, so gering ist, dass es sich nicht lohnt, die Terminals mit Sicherheitstechnik auszurüsten, die bei solchen Manipulationen Alarm schlägt. Wenn das so ist, müssen die Betreiber aber auch in voller Höhe für den bei den Kunden entstehenden Schaden aufkommen. Tun sie das?

Außerdem hat hier heute ein Experiment stattgefunden. Es ist noch nicht zu bewerten. Es wird fortgesetzt. Nur, das hat sich jetzt schon gezeigt: Es ist einfach gut, mit der Tess zu tun zu haben.

Dienstag, 23. November 2010

Drama

Wenn ich das jetzt hinkriege, so wieder hoch zu kommen, wie es gestern mit mir runter ging am Nachmittag und frühen Abend, als ich mich so selbst dramatisiert habe, dass ich hinterher nicht mal mehr sagen konnte wie und nur noch nach Luft geschnappt habe. – Das war exakt um 20.45 Uhr, als ich vor dem Text über Taewoo saß, den ich am Nachmittag entworfen hatte – schlecht entworfen, weil unkonzentriert gewesen. Abgelenkt, weil der Mann vom Installationsbetrieb gerade meine Gastherme wartete: So, können wir dann mal die Heizung ganz hoch stellen? - Ganz hoch? Bis zum Anschlag? – Bis zum Anschlag. – Ohnehin schon nicht ganz bei der Sache, weil mir nicht aus dem Kopf ging das Schreiben vom Vormittag: Möglichkeit einer Geschichte. Ohne die Zwanghaftigkeit einer Idee. Ohne den Totalitarismus eines Pitchs. Da, wo du stehst. Nur das. Eine Geschichte, die anfängt, da wo du stehst. Jetzt. Hier. Wo stehe ich? Bei dem Experiment mit der Tess. Es erweitern zu einem Erzählexperiment? Von dem Experiment mit der Tess erzählen? (Nicht hier, Tess.) - Möglichkeit einer Geschichte mit der Tess. Das ist immer gut. Alles, was mit der Tess zu tun hat, ist gut. Die Gedanken flogen. Die Finger huschten über die Tasten. Ich überspringe jetzt mal den Mittelteil und komme zum Ergebnis. Ergebnis war: Tolle Geschichte. Aber sie fliegt nicht. Weil ohne dass die Tess mitmacht, funktioniert sie nicht. Sie macht nicht mit. Darauf eine Rückzugsversion der Geschichte entworfen. Habe ich mir inzwischen nicht noch mal angeguckt. Kann sein, dass die auch ohne die Tess fliegt. Für diese Version reicht es, dass die Tess da ist. Gegenwärtig. Das ist sie. – Aber was hatte ich jetzt erreicht? Wo war ich? – Unterwegs zu Edeka. Und während dessen wurde mir klar, dass der Freund, auf dessen Hilfe ich gehofft hatte bei der bevorstehenden Zuspitzung meiner Finanzkrise im Dezember, sich nicht melden wird wie verabredet, dass er sich verstecken wird, wie es eine von ihm bekannte Art ist. Dass er sich verstecken wird, weil er weiß, dass ich ihn um Hilfe bitten werde. - Keine Kalauer über die irischen Zocker-Banken. Nur das: Wenn du nicht damit drohen kannst, andere mit zu reißen, kannst du auch keine Hilfe erwarten. - Denn warum helfen? Dem Crash zugucken, sich dabei den Bart streicheln und sagen, dass man es immer schon hat kommen sehen, ist - auf jeden Fall kostensparend. – Das also auch noch. Ich überspringe das Abendessen und sitze jetzt vor dem Text über Taewoo und weiß nicht, wie ich da rauskommen soll aus meiner Selbstdramatisierung mit den Plänen und den Sorgen und den Bildern kretinistischen Bartstreichelns. Und dabei habe ich auch noch dieses wehe Gefühl, weil ich mir einbilde, dass die Tess erwartet, dass ich an diesem Abend über sie schreibe, weil es auf den Tag ein halbes Jahr her ist, dass ich den Blog gestartet habe mit einem Text über sie (der Susan-Sontag-Text vorher zählt nicht). Ich kann jetzt aber nicht über sie schreiben; ich habe den Text über Taewoo für heute. Und ich habe mich selbst so dramatisiert, dass ich, als ich es in einem Vorspann hinschreiben will, wie es gerade ist, hinschreibe: dass ich das jetzt ohne die Hilfe von jemandem anderen nicht schaffe. Dass ich jetzt dringend mit jemandem reden muss. Aber weil das so kläglich ist, lösche ich es gleich wieder, lösche den ganzen Vorspann. – Am Ende des Textentwurfs über Taewoo steht, dass er einmal einer meiner wichtigsten Gesprächspartner war, und eine Zeit lang der einzige. Einer, der ganz nah kam einer Person, die ich mir immer gewünscht habe als Gesprächspartner. Doch das ist eine andere Geschichte. Auch eine andere Geschichte als die, die ich in dem Text über ihn erzählen will. Deshalb lösche ich auch das später. – Jetzt denke ich, dass ich so jemanden brauchen würde, wenn es ihn gäbe. Doch es gibt nur die Tess auf der anderen Straßenseite. Mit der kann ich nicht sprechen, schreiben könnte ich ihr. Nicht im Blog. Auf die andere Art, weil es niemanden anderen angeht. Aussprechen über mich könnte ich mich, wenn ich ihr schreibe. Das hat schon mal funktioniert. Aber das ist vorbei, das Schreiben an sie. Das mache ich nicht mehr. Aus Prinzip mache ich das nicht mehr. Und in dem Moment war ich auf dem Tiefpunkt. Als ich mir das sagte: aus Prinzip nicht mehr. Diese trostlose Formulierung. Metaphorisch passend wäre: Ich habe gefröstelt in diesem Moment. – Und trotzdem war es richtig, nicht an sie zu schreiben. Kein Rückfall hinter gewonnene Einsichten. Ich mache das, was sie auch macht. Gegenwärtig sein. Mehr nicht. So lange sie auch nicht mehr macht. Und dass ich ihr jetzt doch noch geschrieben habe? Hier. Das geht. – Und das Experiment mit ihr? – Heute nicht, Tess. Morgen vielleicht? - Morgen.

Montag, 22. November 2010

Vorlage

Taewoo. Im Text von gestern seinen Namen verlinkt auf seine Website. Beim Googlen seines Namens einen Eintrag Taewoo Kang auf Facebook gefunden. Doch das ist nicht er. Hätte mich auch gewundert. Taewoo, der alte Hochkultur-Stalinist auf Facebook. Stalinist? Habe ich ihn immer mal wieder genannt wegen seine Strenge und seinem Nichtabrücken von seiner Generallinie, auch Grundsätze genannt. Grundsätze wollte ich nicht haben. Er hat welche. Diktatur des Akademismus. Meine Sticheleien deswegen, seit ich ihn kenne. Seit etwa zehn Jahren. Etwa genau so lange sehe ich Arbeiten von ihm und rätsele, warum er nicht selbst guckt für seine Malerei, sondern sich Blicke von anderen nimmt als Vorlage. Abbildungen, die er findet in Zeitschriften oder Prospekten. Zerknitterte Ausrisse, die er zusammengefaltet in der Manteltasche mit sich herumträgt, bis er sie auseinanderfaltet in seinem Atelier und – nach ihnen malt. Natürlich nicht kopiert oder einfach nur abmalt. Er malt nach ihnen. Trotzdem: Als Maler schuldest du uns deinen Blick, habe ich mal zu ihm gesagt und damit für einen Moment meine Zurückhaltung aufgegeben beim Kommentieren von Taewoos Arbeit. Zurückhaltung, weil ich von Malerei keine Ahnung habe. Viel gesehen, aber ich kenne mich nicht aus mit Malerei so wie ich mich auskenne mit Kino oder mit Literatur. Deshalb lieber auch mal nichts sagen, deshalb auch mal eine Frage nicht stellen, weil sie könnte banausisch sein. – Dennoch, als Taewoo erzählt, er habe wieder angefangen zu zeichnen, und das auch nach Vorlagen, frage ich entgeistert: Was? Du zeichnest auch nach Vorlagen? – Achselzucken Taewoos: Wie sonst? - Ich habe es nicht verstanden. Darauf erzählt er von einer Künstlerkollegin, die es auch nicht verstanden hat und etwas sagte, das pointiert hat, was ich auch dachte: Dann kannst du es auch gleich lassen. – Das hat er erzählt und fein gelächelt. Schalkhaft. Unbeirrt. Aber erklärt, begründet hat er seine Arbeitsweise weder da noch bei anderer Gelegenheit. Wenn er sich geäußert hat über seine Malerei, dann allenfalls mit Sätzen wie: Heute habe ich das Bild von gestern übermalt. Oder: Heute gab es keinen Grund zu malen. – Beide Sätze haben sich mir eingeprägt und ich habe jedes Mal an sie denken müssen, wenn ich mal wieder die Arbeit vom Vortag weggeschmissen habe oder wenn es an einem Tag einfach nichts geworden ist.  - Erinnerung an einen Abend vor fünf Jahren, an dem Taewoo in dem Haus in der Kolonnenstraße, in dem er lange sein Atelier hatte, ausgestellt hat. Nur an diesem Abend, acht bis zehn Bilder, kleine Formate. Eine Entwicklung war sichtbar. Wahrscheinlich deshalb hat er die Bilder gezeigt. Am Rande habe ich mitgekriegt, wie die Frau, in deren Raum er ausgestellt hat, auch Malerin, ihn fragte: Und die sind alle nach Vorlagen gemalt? Aus Zeitschriften? - Ja, hat er geantwortet. Kein Wort mehr. Nur wieder das feine Lächeln. Schalkhaft. Dieses Mal mit einer Nuance Trotz. Der Trotz vielleicht auch deshalb, weil von all den Leuten, die gekommen waren - Freunde, Kollegen - kein einziger sich zu den Bildern geäußert hat. Das hat er mir am nächsten Tag erzählt, als ich eine Bemerkung machte über seine Entwicklung und er mit dieser Bemerkung zwar nichts anfangen konnte, sie aber dankbar aufnahm, weil ich der Einzige war, der damit überhaupt was zu den Bildern gesagt hatte. Ende Vorgeschichte.  Heute Morgen finde ich bei der Suche nach Taewoos Website eine zweite Website - der Prozessgalerie - mit einer Präsentation von Taewoo Kang. Das nun wirklich er. Besser kaum zu  treffen das Foto mit dem portrait of the artist als hübscher Junge auch noch mit Mitte 40. Neue Arbeiten von ihm. Und, ich fasse es nicht, ein Text -  ein Text von Taewoo. Er hat sich geäußert zu seiner Malerei. Er hat etwas gesagt und es wurde aufgeschrieben von jemand anderem oder er hat den Text selbst geschrieben. Ich habe ihn schon beobachtet, wie er in ein kleines Notizbuch geschrieben hat. Dass es Gedanken gibt zu seiner Malerei, war mir klar. Dass es vielleicht zu viele Gedanken sind, habe ich ihm immer wieder gesagt (Warum gibst du die Malerei nicht auf und studierst Philosophie?). Aber er hat sie nicht geäußert, die Gedanken über seine Arbeit, nur gezeigt, dass er sie sich macht, mit seinen Gedanken über andere Kunst und mit seiner Derrida-Lektüre und der Heidegger-Lektüre und der Gadamer-Lektüre, sogar Husserl hat er gelesen, wenn ich mich recht erinnere. Doch jetzt haben die Galerieleute ihn rumgekriegt sich zu äußern. Und ich lese mit Spannung:    
Kürzlich ist mir wieder bewusst geworden, dass es sich doch um Licht handeln könnte, in meiner Malerei.
Von Motiven und Anlässen, ein Bild anzufangen, abgesehen. Und auch fern von dem Gedanken der Demokratisierung der Malerei durch die „Moderne“. Das ist etwas länger her.
Meine Perspektive ist eine alltägliche aus meiner Augenhöhe und meinem Augenwinkel gesehen.
Das ist Taewoo. Dass es sich doch um Licht handeln könnte. Die Unangestrengtheit. Das kultivierte Vermeiden von Eifer und Bemühen. Lieblingswort von Ernst Jünger, mit dem Taewoo nichts anfangen könnte, aber das Wort müsste ihm auch gefallen, denn die damit ausgedrückte Haltung ist seine: désinvolture. Oder noch mal anders: Der Dandy, der mit einer Schildkröte an der Leine durch eine glasüberdachte Passage flaniert in Paris, als es die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts war. - Demokratisierung der Malerei durch die Moderne gefällt mir nun wieder, als Formulierung und als Entwicklung. Dauerdiskussion zwischen Taewoo und mir über Pop-Konzepte. Aber wahrscheinlich meint er das nicht so vordergründig. – Ihn danach fragen. – Das mit der Augenhöhe und den Augenwinkeln. Das hört sich für mich an wie Katalogsprech. Kommt mir vielleicht aber auch nur deshalb so vor, weil ich es nicht verstehe. Damit meint er doch wohl nicht, wie er auf seine Vorlagen schaut – die Ausrisse aus Zeitschriften oder Prospekten. Meint er damit den Blick auf sein Bild oder seinen Blick im Bild? – Auch fragen. – Und wenn ich schon dabei bin, ihn auch endlich mal fragen nach seinem mir rätselhaften Verfahren, nach gefundenen Vorlagen zu arbeiten. Ist das eine methodische Achtlosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Motiv? Gleichgültigkeit deshalb, weil es ihm nicht auf das Motiv ankommt, sondern nur auf die Umsetzung, also auf die Malerei? Wie wenn ich sagen würde, es ist egal, was ich erzähle, mich interessiert nur das Erzählen selbst; was ich lange Zeit tatsächlich auch gedacht habe, doch inzwischen nicht mehr denke. - Methodische Achtlosigkeit oder Gleichgültigkeit, Taewoo, ist es das? – Könnte sein die erste Frage in einem Interview mit Taewoo über seine Arbeit. Interview mit ihm, das ich schon lange vorhabe. Es fehlte nur der Anlass. Jetzt gibt es ihn: Taewoo hat sich erstmals zu seiner Arbeit geäußert. Dann kann er mir jetzt auch ein Interview geben.

Sonntag, 21. November 2010

Ententeich

Luft vorwinterlich. Kein Reiher da zur Beobachtung. Graureiher. – Wie? – G r a u reiher, sagt der eine zu den zwei anderen. – Dann kommst du eben vorher zu mir, sagt der Mann mit dem Telefon am Ohr. Ist der Person am anderen Telefon aber auch nicht recht. Vielleicht, weil es geklungen hat wie: ist doch mir egal. – Die Enten im Wasser geben kleine Laute von sich. Leise sind sie außerdem noch. Kleine, leise Laute geben sie von sich. Die mit dem schönen bunten Gefieder, das sind die Männchen, die mit der Tarnfarbenmusterung, das sind die Weibchen. Müssen wir uns immer erst wieder klar machen, denn das ist bei uns anders. Unter anderem deshalb, weil wir keine natürlichen Feinde am Himmel oder im Schilf haben, die abgelenkt werden müssen von den Weibchen und ihrer Brut (nehme ich an). Niemand bleibt so unbehelligt wie ein Menschen-Weibchen, das mit seinen zwei süßen kleinen Fratzen vor einem Coffee Shop sitzt. Da kann das Weibchen noch so einladend lächeln. Dann bleibt sie erst recht unbehelligt und guckt deshalb auch schon so alleinerziehend, dass ich ihr zurufen möchte: Überlege es dir gut! Am Ende ist ein Mann, der sich von dir permanent überfordert fühlt, immer noch besser als nicht mehr klagen können über einen Mann, schon aus Stolz nicht, weil du hast es ja so gewollt. – Das war gestern. Danach, zu Hause, ich fange gerade an mit dem Entwurf des komplizierten Traumtextes, Anruf: Elend Teil 2 und Überleitung zu meinem Elend. Peter tut der Fuß so weh, dass er nicht zum Bankautomaten gehen kann. Er braucht 20 Euro. Für eine Dose Suppe mit Würstchen drin und für Zigaretten. Der Sohn ist konsequent auf Distanz. Die Freundin kann ihm das Geld auch nicht vorbeibringen, weil er mit ihr gebrochen hat am Vortag. Er erträgt es nicht mehr, wie sie ihn schlecht macht. Du bist nicht repräsentativ, hat sie zu ihm gesagt und wahrscheinlich gemeint: nicht vorzeigbar und eine Frau will schließlich auch mal was fürs Auge und nicht immer nur Souveränitätsgerede sich mit anhören müssen. Hinzu kommt, dass sie undankbar ist: 2600 Euro, damit sie ihren Ex-Mann auszahlen konnte für das ehemals gemeinsame Auto; 300 Euro für einen Mantel, damit sie nicht friert auf dem Flohmarkt am Mauerpark; dazu das Abo für den Fitnessclub, das er ihr geschenkt hat, um ihr eine Freude zu machen. Aber keine Dankbarkeit. Exkurs über Dankbarkeit, die es gibt, die man aber nicht erwarten darf und schon gar nicht spekulieren darauf, und: wie das ist mit dem Kaufen von Frauen. Ich würde es nicht machen, und wenn ich noch so viel Geld hätte, würde ich mir keine Frau kaufen. – Er: Ich kaufe sie nicht damit. Ich tue das gerne, was ich für sie tue. – Aber dafür haben willst du schon etwas. Schön verpackt mit Schleifchen und auf dem Schleifchen soll stehen: In Dankbarkeit und Liebe. Das sage ich nicht zu ihm. Ich sage: Ich kann bei dir vorbeikommen und für dich einkaufen oder dich einfach nur besuchen, wenn du einen Menschen sehen willst, aber mit den 20 Euro ist es schwierig, ich habe aktuell gerade mal 30 Euro in der Tasche. – Er: Montag kriegst du es wieder. – Also gut, wenn es nicht anders geht, bringe ich dir das Geld morgen vorbei, sage ich und bin erleichtert, als er heute anruft und sich in aller Form bedankt für die zugesagte Hilfe, aber die Freundin bringt ihm nachher das Geld vorbei. – Dann ist alles wieder gut? – Na klar. Sie hat gesagt, du kannst mich doch nicht einfach so wegschmeißen. Und diese Worte haben ihn glücklich gemacht. Ende Elend. Traumtext. Weshalb war der so kompliziert? Weil ich verheimlicht habe das freudige Ereignis vom Freitag, das der Tagesrest war in dem Traum (der Auslöser sozusagen), und den Traum selbst verheimlichen musste wegen des sexuell expliziten Inhalts. - Den hätte ich doch auch umschreiben können? – Aber genau das habe ich getan. - Zu verstehen war es trotzdem nicht. – Ich weiß. Und deshalb soll das jetzt auch wieder aufhören mit der Geheimnistuerei. Ich werde so leben, dass alles, was ich tue, klar und anschaulich bloggbar ist. Es wird mir auch nichts anderes übrig bleiben, denn so freudig war das Ereignis auch wieder nicht. – Das ist nicht wahr. Das Ereignis war freudig und es gibt vage Pläne für neue Heimlichkeiten. Kontrollierter Rückfall in alte Gewohnheiten. Vielleicht. Experiment. Ich kann mein Leben nicht völlig dem Blog unterordnen, ich muss auch mal was nur für mich tun, habe ich heute Früh mal gedacht. – Ich schreibe also wieder an die Tess? – Nein, auf keinen Fall. Das Experiment ist kein Schreib-Experiment. Wenn ich ihr schreibe, dann hier. Wie gerade eben wieder.
Unbedingt lesen und angucken: Nan Goldin-Interview auf SPON und Ausstellung Nan Goldin - Berlin Work . - Mit Dank an Taewoo für den Hinweis.

Samstag, 20. November 2010

Mund

Aufwachen aus einem Traum. Zum allerersten Mal geträumt von der begehrten Frau in einem erotischen Traum - mit Komplikationen, auf die ich im Wachzustand nicht gekommen wäre, die mir aber hinterher sofort einleuchteten als Inszenierungseinfälle meines Traums. Beim Aufwachen gar nicht erst versucht, den Traum festzuhalten. Zwei Sätze, nicht gesagt im Traum, Empfindungen aus dem Traum, formuliert beim Aufwachen: Sie soll nicht immer so cool sein. Und: Sie soll nicht immer alles alleine machen wollen (gemeint wahrscheinlich: sich auch mal einlassen und etwas zulassen). Noch im Halbschlaf gedacht, dass ich darüber schreiben will. Assoziation, immer noch im Halbschlaf: Die beiden Empfindungen mitnehmen aus dem Traum und sie mitteilen - wie der Einwohner von Monomotapa, bei La Fontaine, der zu einem Freunde eilt, weil er ihn im Traum ein wenig traurig gefunden hat. – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Band 2, Seite 483. Baron Charlus spricht bewundernd von der Empfindsamkeit einer vergangenen Epoche, in der solche Gefühle großes Verständnis fanden. An diese Stelle gedacht immer noch im Halbschlaf. Mir vorgenommen, sie zu zitieren. Die Empfindungen aus dem Traum. - Die beiden Sätze. Ein Text mit den beiden Sätzen und dem Proust-Zitat zur Verdeutlichung der Aktion, die der Text sein sollte. Wach. Mich gefreut auf den Nachmittag, wenn ich den Text schreiben würde. In der Zwischenzeit den Traum aufgeschrieben, was ich erst nicht vorhatte, weil ich annahm, dass ich ihn schon bald vergessen haben würde. Danach gemerkt, dass ich mich jetzt nur noch mit Mühe erinnern konnte an die Szene des Aufwachens und den Entwurf eines Textes während des Aufwachens. Die Erinnerung war nicht mehr lebendig. Ihr Gehalt, das Gefühl darin war verloren gegangen. Das Gefühl war das Gefühl der Dringlichkeit gewesen, eine Mitteilung machen zu müssen. – Eine Assoziation zu dem Traum und ein Einfall, den ich hatte, bevor ich den Traum aufgeschrieben habe. Assoziation: Mund, Kuss, Sprechen, küssen, reden miteinander. Einfall: In dem Film Black Rain von Ridley Scott sagt Michael Douglas einen Satz, der mir gefallen hat und den ich mir gemerkt habe (*): Ich will geküsst werden, bevor ich mich f****n lasse. Er sagt das als amerikanischer Polizist zu einem japanischen Kollegen (Ken Takakura), nachdem der ihn reingelegt hat. Am Ende werden die beiden beste Freunde und das ist ein wunderschöner Schlussmoment in dem Film, in dem es auch darum geht, wie ein Amerikaner und ein Japaner sich erst sehr fremd sind und dann so gute Freunde werden, wie sie es nie hätten werden können, wenn sie sich zuvor nicht so fremd gewesen wären. Wobei der Japaner die Fremdheit vor allem darin erlebt, dass Michael Douglas immer alles ausspricht und dass er es in so drastischen Worten ausspricht, dass es dem Japaner körperlich weht tut, so dass er sich duckt unter den Worten des Amerikaners. Ich will geküsst werden, bevor ich mich f****n lasse. Küssen ist Mund. Mund ist Reden. Küssen ist Reden. So war das in meinem Traum. So hat mein Traum das gemeint. Und vielleicht ging es nur darum in dem Traum. - Aufwachen aus dem Traum. Darum sollte es hier gehen. Ich habe es nicht hingekriegt.
(*) Der Satz hat mir so gut gefallen, dass ich ihn geklaut und ihn in einem Drehbuch verwendet - zitiert - habe. Nachdem ich einen Charakter, der zuvor keine Konturen hatte, diesen Satz habe sagen lassen, hat er angefangen zu leben. Ich habe mir vorgestellt, dass der Charakter die gleichen Filme mit Michael Douglas gesehen hat wie ich und in der Art von Männlichkeit, die Michael Douglas in seinen Filmen entworfen hat, sich selbst gesehen hat. In dem Dialog, in dem der Charakter sagt: Ich will geküsst werden, bevor ich mich f****n lasse, antwortet die Frau, die den Mann bis dahin nur vorgeführt hat: Das verstehe ich und unterdrückt dabei ein Lachen, nimmt ihn in diesem Moment aber zum ersten Mal ernst.

Freitag, 19. November 2010

Unterwegs

Nach der geglückten Bibliothek-Aktion in Mitte zu Fuß zurück, um beim Gehen nachdenken zu können und was anderes zu erleben als den Anblick verschlossener Mienen von U-Bahn-Gesichtern. Doch beides zusammen geht nicht. Großer Mann Mitte 30 und seine kleine Frau kommen aus dem Tiergarten, während ich an der Fußgängerampel stehe gegenüber der Stauffenbergstraße. Mann fragt mich nach dem Weg zum Kottbusser Tor. Zu Fuß oder mit der U-Bahn? Am besten mit der U-Bahn, entscheide ich für ihn und erkläre den Weg zur nächstgelegenen Station der U1; Kurfürstenstraße. Ich spreche erst ins Konzept, dann wiederhole ich zusammengefasst in Reinfassung. Er fragt, ob sie nicht einfach mit mir gehen können? (Wie kommt er darauf, dass ich den gleichen Weg habe? - Wie rührend, dass er das gefragt hat, denke ich jetzt). – Ich gehe sehr schnell. Wahrscheinlich zu schnell für Sie beide, sage ich, vermeide dabei den Blick auf die kurzen Beine der kleinen Frau und füge hinzu: Wenn ich den Weg jetzt in einer dritten Version beschreibe, werden Sie ihn problemlos finden. - Ich beschreibe den Weg noch mal in einer deutlich verbesserten Fassung. - Die Ampel zeigt Grün. Wir überqueren zusammen die Straße. Ich frage: Was wollt ihr eigentlich am Kottbusser Tor? Das ist eine völlig abgefuckte Gegend. – Er: Wir wollen uns Kreuzberg angucken. - Sie: Wir sind eben die etwas andere Art von Touristen. – Da gibt es aber bessere Plätze in Kreuzberg, sage ich und will schon anfangen, die besseren Plätze zu nennen, da fällt mir ein, dass ich kein Reiseführer bin, sondern jemand, der schnell zu Fuß unterwegs ist und in Gedanken. Während ich schnell weiter gehe, frage ich mich: Was wollen die beiden am Kottbusser Tor? Wollen sie Drogen kaufen? Oder nur Drogenkriminalität gucken? Er mit seinen roten Pausbacken? Sie mit ihrer gestrickten Mütze?  Die etwas andere Art von Touristen?  - All das und noch viel mehr hätte ich erfahren, wenn ich nicht so stur gewesen wäre und die beiden mitgenommen hätte bis zum Nollendorfplatz, um sie dort in die U1 einsteigen zu lassen. Falscher Reflex. Wieder mal falscher Reflex. Zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Heute allerdings nicht verwunderlich nach dem Schreiberlebnis vom Vormittag. Séance. Geisterbeschwörung. Ich spinne? Ich spinne zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine Idee aus. Heißt: Ich hatte eine und ich folge ihr. Gestern hat das in die Depression geführt. Heute zu einer überraschenden Wendung. Antwort auf eine Frage, die ich schon kannte, von der ich aber nicht wissen konnte, dass sie die richtige Antwort ist. Gestern noch beklagt das Ausbleiben von Antworten, heute eine Antwort bekommen. Weil ich die richtige Frage gestellt habe. Weiß noch nicht, was ich mit der Antwort anfangen soll. Denn, wenn es so ist, worauf ... ? Nicht mehr. Ich habe eine Antwort bekommen. Ich bin euphorisiert. Und ich fange jetzt zu üben an, nicht mehr so in mich gekehrt zu sein.  Genthinerstraße. Älterer Mann vor mir mit Zipfelmütze. Frau kommt ihm entgegen, höhnt: Immer aufpassen, dass die Ohren gut warm bleiben. – Ich beim Überholen von Mann: Kennen Sie die Frau? – Er: Leider. – Ich im Weitergehen: Dachte schon, das ist eine völlig fremde Person, die Sie angesprochen hat, so wie ich Sie jetzt anspreche unbekannterweise. - Darauf sagt er lieber nichts mehr, kneift nur die Augen zusammen zu einem prüfenden Blick, um festzustellen, ob es sich bei mir um einen Irren handelt. – Kurz darauf, ich erkenne sie schon von weitem an ihrem schönen Lächeln: Colette, so schnell unterwegs wie ich, sie zum Elterngespräch im Französischen Gymnasium, ich auf dem Weg nach Hause. Vor der Haustür Bernd mit frisch geschnittenen Haaren, um zehn Jahre verjüngt. Im Treppenhaus die geschätzte Mitbewohnerin, die aus aktuellem Anlass Private Krankenversicherung sagt und schon sind wir bei der Beitragserhöhung am 1. Januar und ich bei meinen Überlegungen zur Nichtmehrfinanzierbarkeit der Beiträge: Nachdem das Geschäftsmodell der Privaten Krankenversicherungen am Ende ist, sie es aber nicht eingestehen, kann uns Beitragszahler nur noch eine Seuche retten, die die Zahl der Versicherten so weit dezimiert, bis die Kasse wieder stimmt. - Die Gesprächspartnerin ist begeistert von dieser Idee und erinnert sich daran, dass von der Aberglaubensprognostik tatsächlich was mit Seuchen vorgesehen ist für das Jahresende 2012. – Ich sage: So spät erst? - Was sie darauf gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Ich weiter: Dann können wir uns versicherungstechnisch ein schönes Leben machen von den Altersrückstellungen der Seuchenopfer. – Sie meint: Dann können wir uns überhaupt ein schönes Leben machen. – Das weiß ich nicht. Wir wissen ja nicht mal, ob wir zu den Überlebenden zählen werden. Mein Punkt ist jetzt nur mal die Private Krankenversicherung, bei der ganz dringend was passieren muss. Und dass FDP-Mitglieder bei der DKV (meine Versicherung) günstigere Konditionen bekommen, reicht dafür einfach nicht aus. – Das sieht die Gesprächspartnerin genauso und meint: Schreib da doch mal was drüber. Das habe ich jetzt getan. Bloggen unterwegs.

Donnerstag, 18. November 2010

Vertan

Schlimm. Romantitel Atemschaukel. Literaturnobelpreis. Jetzt Verrat. Feuilletons voll davon. Und dann noch ständig diese Haare  im Gesicht.  Die gehen nicht von heute auf morgen weg.  Bitte Foto gucken hier.  – Bei mir ist es auch nicht gut gelaufen heute. Verrat? Ich kenne nichts anderes. Aber das war es nicht. Gegen 17 Uhr aufgegeben. Als Letztes hingeschrieben: Regen. In den Regen gehen. – Vielleicht passiert was draußen. Aber bloß keine Supermarktgeschichte! Nicht schon wieder eine Supermarktgeschichte. Dann bei Penny der große dicke Mann mit den zierlichen Bewegungen, der mir mal so behende (neudeutsch: behände) ausgewichen ist und sich vor das leere Schaufenster gestellt hat, um keine Grüße austauschen zu müssen mit mir. Der stand an der Kasse bei Penny, als ich mir einen Einkaufswagen nahm. Einen Moment habe ich gezögert. Denn ihn wollte ich immer schon mal ansprechen auf sein merkwürdiges Verhalten von damals. Doch dann habe ich gedacht, das will ich ihm jetzt nicht antun und mir auch nicht an so einem misslungenen Tag von mir. Obwohl ich den Tag damit vielleicht hätte retten können und es gar keine Supermarktgeschichte gewesen wäre, zu der es nun aber doch wird, denn weiter geht es nicht anschließend draußen im Regen, sondern an der Kühltheke, zu der ich gehe wegen einer Packung geräucherter Putenbrust in Scheiben geschnitten, die es nirgendwo besser gibt als bei Penny. Bei der Kühltheke, ist das der Lebensgefährte von der Tess? – Armeegrauer Parkamantel mit pelzbesetzter Kapuze, massive dunkelbraune Timberland Halbschuhe , schwarzer Rucksack. Alles wie neu, perfekte Regengarderobe. Sieht aus wie der Lebensgefährte von der Tess. Immer wieder erstaunlich, wie jung der aus der Nähe wirkt. Die Summe dieser Beobachtungen macht es vorstellbar, wie lange und wie oft ich zu ihm hingeguckt habe. Er aber nicht zurück. Entweder weil es nicht der Lebensgefährte von der Tess war. Oder weil er einen Blickkontakt mit mir vermeiden wollte und nicht darauf aus ist, mich kennenzulernen als Nachbarn und Bewunderer seiner Freundin. Im Gegensatz zu mir, der ich gerade erst vor wenigen Tagen mal gedacht habe, dass ich ihm gerne mal über den Weg laufen würde, um mit ihm bekannt zu werden. Aber da er nicht meinen Blick erwidert hat, nicht mal kurz und scheu, hätte ich schon überfallartig auf ihn zugehen müssen, und das ist nicht drin an diesem Tag. Ich habe an der Kasse dann noch hinter mich geschaut, ob er da steht, sozusagen aufgeschlossen hat zu mir, und es eine zweite Chance gibt. Doch da war er immer noch zwischen den Regalen unterwegs, vertieft in das Warenangebot wie jemand, der nicht so oft einkaufen geht oder zum ersten Mal bei Penny ist. – Dieser Tag. Vertaner Tag. An mir hat es nicht gelegen. Ich habe Präsenz gezeigt beim Schreiben. Ich war da. Ich habe es versucht. Doch es ist nichts dabei herausgekommen. Ich ahne warum. Mehr, wenn ich es genau weiß. – Vorhin mal: Wenn ich ein kleines Kind wäre, dann würde ich es jetzt so lange drauf anlegen, dass mir jemand ein Unrecht antut, bis ich losheulen kann. Dem Kind würde es helfen. Mir nicht. In Wahrheit hat es nämlich doch an mir gelegen. Wäre ich heute morgen um 6 Uhr aus dem Bett gekrochen, ins Hallenbad zum Frühschwimmen gegangen, hätte ich sowieso schon mal  einen ganz anderen Tag erlebt. Außerdem hätte ich dann nach dem Schwimmen beim Duschen wie immer neben dem mir so sympathischen Mann gestanden, der einen sächsischen Akzent hat, aussieht wie Mitte 60, tatsächlich aber Mitte 70 ist und der eine solche Gelassenheit hat, dass sie sich sogar auf mich überträgt, wenn ich ihm zuschaue, wie er sich die Haare wäscht und hinterher mit seinem Waschlappen hantiert. Dabei hätte ich ihn gefragt, was mich schon seit einer Woche beschäftigt: warum er mir letzten Mittwoch mit einem solchen Ernst und solch einem Nachdruck gesagt hat, dass nicht jeden Tag die Sonne scheinen kann. Mit Sicherheit hätte ich dann eine ganz andere Geschichte zu erzählen gehabt von diesem Tag. Aber so war ich wieder nicht schwimmen. Habe alleine geduscht. Und habe bitter erfahren müssen, dass nicht jeden Tag die Sonne scheinen kann. In jeder Hinsicht erfahren.

Mittwoch, 17. November 2010

Wirtschaftsleben

Weiter mit Bloggen am Telefon. Weiter mit einer Geldsache. Anruf bei der Firma N., Installationsbetrieb. Seit ich hier wohne im Haus tätig, inzwischen raus aus dem Geschäft, weil es einen neuen Hauseigentümer gibt. Es meldet sich wie gewohnt Frau N., die Frau des Installationsmeisters. Sie spricht wie jemand, der mit weinerlicher Stimme spricht – singend,  die Vokale dehnend, die Worte aneinander bindend; nur dass sie das nicht weinerlich tut, sondern energisch. Daran kann man sich gewöhnen. Ich spreche sehr gerne mit Frau N.. Sie erinnert sich nicht gleich an mich. Erst, als ich ihr die Adresse nenne, erkennt sie mich: Sie sind doch der Herr Gensheimer, der freitagmorgens immer erst ab 9 Uhr kann, weil sie vorher schwimmen gehen. – Nicht nur freitags, sondern an allen Werktagen, korrigiere ich sie und könnte hinzufügen: Nur im Moment nicht, weil ich meinen Arsch derzeit nicht vor 7 aus dem Bett kriege, heute wieder nicht; mal sehen, ob ich es morgen schaffe. – Ich unterdrücke diese Bemerkung. – Mein Nachbar hat mich gestern darauf hingewiesen, dass wir als Mieter verpflichtet sind, unsere Gastherme warten zu lassen; haben wir das nachweislich nicht getan, kann es im Reparaturfall passieren, dass uns der Vermieter die Kosten anlastet. Da wir es mit einem neuen Eigentümer zu tun haben, bei dem wir noch nicht so recht wissen, folge ich dem Hinweis sofort und rufe die Firma an, von der der Nachbar seine Therme gerade hat warten lassen. Für 65 Euro. Günstig, weil keine Anfahrtkosten, weil Geschäft in der Dominicustraße, ganz in der Nähe. Termin am Dienstag um 9 Uhr. Und nur, um noch mal sicher zu gehen, frage ich: 65 Euro? – 65 Euro, bestätigt die freundliche Männerstimme vom Installationsbetrieb am Ende des Telefongesprächs gestern. – Heute nun Frau N., die mir, nachdem ich Wartung und Gastherme gesagt habe, erklären will die Verpflichtung des Mieters zur jährlichen Wartung ... - ... Frau N. , wenn ich das nicht wüsste, hätte ich Sie nicht angerufen wegen der Wartung. Ich will nur wissen, was Sie für die Wartung verlangen. Preisvergleich. Wie man das so macht. - Frau N. holt aus: 35 Euro kostet die Arbeitsstunde. Netto. Wie lange der Mitarbeiter braucht, kann sie nicht sagen. – Berechnen Sie die Anfahrt? – Nein, das nicht, antwortet sie erst, wie sich kurz darauf zeigt, berechnen sie die Anfahrt aber doch. - Das akzeptiere ich nicht. Denn was habe ich mit der Anfahrt zu tun? Die Fahrtkosten sind eine Investition der Firma in ihr Geschäft. Sie erwarten ja auch nicht von mir, dass ich Ihren Leuten das Essen bezahle, damit sie nicht vor Schwäche umfallen, wenn sie die steilen Treppen zu mir in den 5. Stock hochsteigen, sage ich zu Frau N.. – Ja, ich bin ein harter Verhandler und ich habe Erfolg. Nach gar nicht so langem Hin- und Her fragt mich Frau N., ob die 65 Euro, die die andere Firma will, mit oder ohne Mehrwertsteuer sind? – Das ist ein Endpreis, wie ich es verstanden habe, antworte ich, bin mir aber nach ihrer Frage nicht mehr so sicher. – Gut, dann machen wir das auch für 65 Euro inklusive. – Wenn sie jetzt 55 Euro gesagt hätten, dann wären wir im Geschäft, sage ich, aber so … - Frau N.: ... könnten Sie trotzdem uns beauftragen, weil Sie kennen unsere Leute und unsere Leute kennen sich bei Ihnen aus. – Da sehe ich keinen Vorteil drin. Vielleicht sind die anderen auch nett und mit denen habe ich schon einen Termin. Ich verbleibe mit Frau N. so, dass ich die andere Firma anrufe, um mich zu vergewissern wegen Mehrwertsteuer wirklich inklusive oder nicht. - Anruf in der Dominicusstraße. 65 Euro. Endpreis? – Nein, dazu kommt noch die Mehrwertsteuer. Macht 77 Euro 35. – Ich sage, dass ich jemand habe, der mir die Wartung für 65 Euro inklusive Mehrwertsteuer macht. Doch statt jetzt um mich als Kunden zu kämpfen und ein verbessertes Angebot zu machen, ist die Männerstimme aus der Dominicusstraße nun hörbar enttäuscht, von mir enttäuscht, und ich weiß gar nicht mehr, ob ich dann noch erklärt habe, dass ich mich für die andere Firma entscheide oder es unausgesprochen gelassen habe, um nicht alles noch schlimmer zu machen. – Frau N., als ich wieder anrufe, nun so wie ich sie kenne und schätze: Sehn Se, sagt sie. Sehn Se. Sehn Se. – Ich: Sagen Sie doch noch mal Sehn Se. – Sie: Sehn Se. - Aber dann ist es auch gleich vorbei mit ihrer guten Laune. Oder erscheint es mir nur so, dass sie nur noch widerwillig zu dem Angebot steht, das sie mir gemacht hat? Als ich sie nach der Terminabsprache (Montag 14 Uhr) aufzumuntern versuche mit der Bemerkung, dass es immer ein Vergnügen ist, mit ihr zu reden, antwortet sie nur mürrisch: Ja, ja. – Und ich bin danach auch nicht mehr gut gelaunt. Denn was habe ich nun erreicht? – Ich habe 12 Euro 35 gespart bei einer Ausgabe, von der ich bei dem zu erwartenden Budgetdefizit im Dezember noch nicht weiß, wie ich sie finanzieren soll. Dass ich mal wieder erlebt habe, was für ein harter Verhandler ich bin, das deprimiert mich jetzt nur noch. Und dass solche Verhandlungen von deutschen Handwerksbetrieben als Zumutung empfunden werden, das habe ich vorher schon gewusst. - Spätere Analyse: Könnte ich die 65 Euro locker bezahlen, hätte ich mich ungetrübt freuen können, die 12 Euro 35 eingespart zu haben. Dann wäre es mir auf die 12 Euro 35 aber auch nicht angekommen. Dann hätte ich wahrscheinlich gar keinen Preisvergleich gemacht, dann hätte ich es bei der Absprache mit der freundlichen Männerstimme aus der Dominicusstraße belassen und nicht mit Frau N. telefoniert. Dann hätte die Firma N. aber auch den Auftrag nicht bekommen. So gesehen war es also doch nicht so schlecht.  Nur, wo ich die 65 Euro hernehmen soll, hat die Analyse nicht ergeben.

Dienstag, 16. November 2010

Kaltblütig

Anneli müsste sich mal Zeit nehmen für mich, weil ich dringend ein Gespräch mit einer Vertrauten brauche. Doch Anneli führt ein Doppelleben, eigentlich ein Dreifachleben: Ein Leben am Bodensee als älteste Tochter bei ihrer Mutter. Ein Leben in Berlin als Großmutter, die sie seit einem halben Jahr ist. Und dann wäre da noch ihr eigenes Leben. Aber zu dem kommt sie nicht. Daher kommt sie auch nicht zu dem vertrauten Gespräch mit mir. Heute zumindest nicht. Deshalb nur kurzes Telefonat. Teil 1 über Zeitmangel und dass die Zeit sowieso schon so schnell vergeht, wenn man so alt ist wie wir. Außerdem hat sich die Erdachse verschoben (oder verschiebt sich gerade?) und das hat auch Einfluss auf die Zeit, sagt Anneli.  – Ich entgegne, dass ich keine Ahnung von Physik habe, aber mir nicht vorstellen kann, dass die Verschiebung der Erdachse einen Einfluss auf unser Zeitempfinden hat. Sie beharrt darauf und verweist auf ihren spirituellen Mentor, einen Indianer, der das schon vor Jahren vorhergesagt hat, was jetzt gerade passiert. Ich kann dazu nur sagen: Du hast einen Knall, Anneli. Einen Esoterik-Knall. – Doch das ist kein Streitthema zwischen uns. Sie hat den Knall. Ich sage es. Sie hält mich für oberflächlich. Und wir verstehen uns trotzdem. Sie ist eine der klügsten und besonnensten Personen, die ich kenne, und die kaltblütigste Person überhaupt, die ich je erlebt habe beim Agieren in Ausnahmesituationen - wie zum Beispiel einem Zimmerbrand oder beim Abwenden von drohender Gewalt alleine durch die Demonstration von Angstfreiheit. Wenn ich einen Krieg zu führen hätte und drei Personen auswählen könnte als Mitstreiter, wäre Anneli immer dabei. als Beraterin und für riskante Sondereinsätze. Nur wäre sie dann, wenn mein Krieg ausbricht, wahrscheinlich gerade am Bodensee oder meine Anrufe würden sie nicht erreichen und meine Mails auch nicht, weil sie wie jetzt gerade wieder so in Anspruch genommen ist, dass sie seit Tagen ihr Laptop nicht geöffnet hat, obwohl es ein iBook ist und es alleine schon Spaß macht, es anzufassen, wie sie sagt. Was bedeutet, dass sie auch seit längerem meinen Blog nicht mehr gelesen hat. Und das ist nicht gut. Du bist einer der guten Geister meines Blogs, sage ich. Du gehörst zu der Gruppe von Leuten, an die ich denke, wenn ich schreibe. Das darf nicht sein, dass sich das als Illusion erweist, dass du den Blog liest. - Nur, um das festzustellen, damit sie nicht eifersüchtig wird: Wichtigster guter Geist des Blogs bleibt natürlich die Tess, die nach wie vor gegenwärtig und weiterhin nicht anwesend ist. Wie Geister so sind. Übrigens: Ab nächster Woche gibt es eine ganze Serie von Tess-Jahrestagen. Weiß noch nicht, wie ich sie begehen werde. Alleine feiern ist blöd. Kann sein, ich verlinke hier einfach nur zwei Songs auf YouTube und das war es. Mal abwarten, was sie macht. Wahrscheinlich nichts. – Im zweiten Teil des Telefonats mit Anneli ging es auch um Peter. Ihr gefallen seine Fotos in Das Alte Biest. Und ich mache mir Sorgen, dass er wieder säuft, weil er nicht anruft und mir stattdessen selbstverliebte Mails schreibt mit Betrachtungen zu den vielen Frauen, die sich seit Jahrzehnten nicht abgewandt haben von ihm. Am Nachmittag ruft Peter dann an. Was macht das Trinken? frage ich sofort. – Ich trinke nicht, antwortet er. – Seit? – Am Sonntagabend habe ich ein Glas Wein getrunken im Restaurant, seither nichts mehr. – Großartig, sage ich. – Er kann es allerdings noch nicht richtig genießen, weil seine Hände so zittern. – Das wird bestimmt jetzt jeden Tag besser. – Hoffentlich. – Und wie geht es deiner zusammengebrochenen Persönlichkeit? – Schweigen im Telefonhörer. – Peter?! – Mein Sohn ist ausgezogen. – Wann? – Vor einer Woche. – Zu einer gemeinsamen Freundin der beiden ist er gezogen. Er konnte das Elend seines Vaters nicht mehr mit ansehen. Aber es hat keinen Krach gegeben. Die Trennung war einvernehmlich. Nur, dass der Sohn dem Peter jetzt fehlt. Vereinsamen wird er trotzdem nicht, denn er hat neben den zahlreichen langjährigen Freundinnen, mit denen er über Skype kommuniziert, auch noch die aktuelle Freundin mit der Tochter, die in eine therapeutische WG soll, auch erst wollte nach Peters Überzeugungsarbeit, jetzt aber nicht mehr will und ihr Vater will es auch nicht, weil er dann auch alleine ist, ganz alleine, da er außer seiner Tochter niemanden hat. Die therapeutische WG, in die die Tochter gehen sollte, befindet sich in einem Ort im berühmten Kreis Lüchow-Dannenberg. - Da ist doch alles verstrahlt! hat der Vater gesagt.  – Quatsch, meint Peter. Er hat Freunde, die dort seit Jahrzehnten auf einem Bauernhof leben und immer noch gesund sind. Aber nichts zu machen, der Vater hat das Sorgerecht für die Dreizehnjährige. Nun hat Peter über sein Sozialarbeiter-Netzwerk zwei therapeutische WGs in Berlin ausfindig gemacht, die die Tochter aufnehmen würden. Obwohl seit Monaten krankgeschrieben, macht Peter auf diese Art weiter, was er immer gemacht hat: seinen Helferjob. Nur, dass er jetzt nicht mehr trinkt. – Bleib stark, Peter! sage ich zum Abschied. Und rufe in ein paar Tagen wieder an. Ich will wissen, dass es dir gut geht. Und wenn es dir nicht gut geht, ruf auch an. – Mein neuer Ton. So rede ich auch mit mir selbst (in meinem inneren Monolog, nicht laut). Mein Phlegma erweist sich jetzt nämlich immer mehr als ein Sichabfinden (Michabfinden?). Gelassenheit will ich es noch nicht nennen. Gelassenheit kann ich mir auch nicht vorstellen bei mir. Kaltblütigkeit wäre mir lieber.

Montag, 15. November 2010

Unbewusst 2

Jeder, der Freud gelesen und sich die nicht allzu große Mühe gemacht hat, ihm zu folgen, der weiß, dass Bewusstsein in der Theorie Freuds kein Ort ist mit einem Drunter und Drüber, und im übrigen auch kein Zustand. Sondern – das ist die Pointe und das, was man lernen kann bei Freud: Bewusstsein ist eine Aktivität. Eine Aktivität, die besteht im Erfassen von Regungen und Vorstellungen. Und die werden entweder gerade erfasst, dann sind sie bewusst. Oder sie sind noch nicht erfasst, aber erfassbar, dann sind sie vorbewusst. Oder sie sind beim besten Willen nicht erfassbar, (es sei denn in einer psychoanalytischen Therapiesituation oder in einer draufgängerischen schriftstellerischen Aktion). Und wenn sie für das Bewusstsein nicht zu erfassen sind, die Regungen und Vorstellungen, dann sind sie unbewusst – und deshalb auch nicht kontrollierbar. - Man schreibt zum Beispiel einen brillanten Artikel, in dem man so was von aufdreht, dass das Publikum schon kurz vor der Verzückung ist, aber dann passiert es: man lässt so einen fahren, dass sich alle nur noch die Nase zuhalten und sich kopfschüttelnd fragen: Hätte er damit nicht warten können, bis er alleine ist? Oder, raus aus dem Bild: Hätte er da nicht einfach darüber hinweg gehen können, wenn er keine Ahnung von Psychoanalyse hat; und nachdem er gemerkt hat, dass ihm eine wichtige Lektüre fehlt, sie bei Gelegenheit mal nachholen, statt - zurück ins Bild - einen solchen knatternden Furz zu lassen in seinem brillanten Artikel? – Ich übertreibe? Na dann: Vermutlich ist das wirkliche Unterbewusstsein real existierender Menschen sehr viel raffinierter, interessanter und vermutlich auch nicht so reflexlos einschnappend oversexed wie das Daniel Pagenstechers (Arno Schmidts Alter Ego in Zettel´s Traum). Und gleich noch einer hinterher, aber was für einer: Ein intelligenter Mensch hat kein solches Unterbewusstsein! – Nein, hat er nicht. Er hat ein Unbewusstes. Aber ganz gleich wie intelligent und gebildet er ist, sein Unbewusstes ist unraffiniert, man könnte auch sagen primitiv und geistlos, es ist uninteressant, man könnte auch sagen monoton, und es ist – reflexlos einschnappend verstehe ich nicht – auf jeden Fall oversexed und auch sonst sehr triebhaft, man könnte auch sagen tierhaft und garantiert espritfrei.  - Hey! Das ist die Großpointe der Freudschen Theorie. Das ist Freuds große Durchbruchleistung. Das stellt ihn neben Darwin und über alle anderen, die nicht Nietzsche heißen. Das hat den Skandal gemacht zu seinen Lebzeiten. Das hat die empörte Ablehnung provoziert, gegen die sich die psychoanalytische Bewegung durchsetzen musste. Was ihr aber nie vollends gelungen ist. Wie nun die gouvernanteske Entrüstung von Stephan Wackwitz zeigt. Und dafür muss man ihn einfach wieder mögen: wie er dieses Schauspiel der von der Zumutung der Freudschen Lehre verletzten Eitelkeit eines Hochkulturmenschen in seinem Text aufführt mit dem drolligen Einakter - wie wollen wir ihn nennen? – Die Fürze der Gouvernante? – Entschuldigung! Mein Unbewusstes. - Um es feuilletonistisch korrekt zu formulieren: Einer kann noch so viele Adorno-Zitate parat haben, er kann Adorno selbst gewesen sein und gerade neulich erst die Ästhetische Theorie verfasst haben, sein Unbewusstes wird dennoch primitiv, monoton, irritierend triebhaft und vollkommen humor- und geistlos sein. Adorno war das übrigens immer klar und er soll es genossen haben. – Gegen Ende seines Artikels, wenn Stephan Wackwitz nicht mehr Freud-Erklärer und wieder nur Leser ist, kommentiert er seine Lektüre von Zettel´s Traum zusammenfassend so: (…) je weiter man liest, desto undeutlicher wird einem, ob man ein Kunstwerk vor sich hat oder ein Symptom. – Das kann man sich nach dem Erlebnis mit ihm nun lebhaft vorstellen, dass so was vorkommt. Und dann weiter: Die Wahrheit über Schmidts Spätwerk besteht wahrscheinlich darin, dass es, viel deutlicher als die meisten anderen inkommensurabel großen Bücher, beides zugleich ist. Große Kunst und kompliziert ausgearbeiteter Dachschaden.  - Kompliziert ausgearbeiteter Dachschaden. Schön formuliert. Zitiere es auch nur, weil es so schön formuliert ist. Nicht weil ich damit einflüstern will, dass es sich beim Autor des Artikels ebenfalls um einen Fall von kompliziert ausgearbeiteten Dachschaden handelt. Denn was ihm da passiert ist in seinem Artikel, das ist etwas viel Einfacheres. Georg Groddeck hat es in Das Buch vom Es so formuliert: Wenn das Unbewusste stinken will, dann stinkt es. Da kann man nichts, aber auch gar nichts dagegen machen, will er damit sagen. Wenn das Unbewusste stinken will, dann stinkt es. Im Grunde genommen - Einflüsterung meines Unbewussten – habe ich diesen Text nur geschrieben, damit dieser Satz hier steht. Als Anlauf, Vorbereitung, um darauf zurück kommen zu können, wenn ich davon erzählen werde, wie ich einmal in meinem Leben so gestunken habe, dass ich fast wahnsinnig geworden bin.

Unbewusst 1

Einer ist Schriftsteller; hat ein paar kleine Literaturpreise bekommen oder gewonnen. Stephan Wackwitz. Schreibt in der taz: Die Neuentdeckung eines Dinosauriers Schreibt einen Artikel über Zettel´s Traum , das Spätwerk von Arno Schmidt, das jetzt bei Suhrkamp in einer neuen Ausgabe erscheint. Schreibt einen Text, der auch jemandem gefallen könnte, der sich nicht für Arno Schmidt und vielleicht nicht einmal für Literatur interessiert – so lebendig ist der Text geschrieben, so anschaulich, so fesselnd. Toller Text. Erzählung von einem Leseerlebnis. Aber dann - mittendrin - passiert es! Es ist wie ein leises Furzen. Was war das eben für ein Geräusch? Egal. Weiter. Interessant. Spannend. Macht Spaß. – Dann wieder dieses Geräusch. Ein leises Furzen? Keine Frage. Es war ein Furzen. Kommt vor. Ist menschlich. Weiter. Interessant. Spannend. Macht Spaß. – Doch dann ein lauter knatternder Furz! Und jetzt riecht es gleich so was von nach Mensch aus dem Darm, dass man böse wird, weil man denkt, dass so viel Zivilisation doch möglich sein sollte, dass einer furzt, wenn er mit sich alleine ist, und nicht andere Menschen mit dem Geruch seines Darminneren belästigt. - Gerade neulich erlebt in der U-Bahn, U 7. Vollbesetzter U-Bahnwagen. Plötzlich ein Gestank, dass es mir den Atem verschlagen hat. Merkwürdig dabei: Alle Fahrgäste um mich herum behalten ihre verschlossenen Mienen aufgesetzt, weil man das so macht in der U-Bahn, eine verschlossene Miene, selbst in einem solchen Moment. Deshalb kein Austausch von Blicken derer, die von sich wissen, dass sie nicht gefurzt haben. Perfekter Täterschutz durch die Gemeinschaft. Muss er oder sie nur genau so eine verschlossene Miene machen wie die anderen und keiner ist es gewesen. – Bild. Metapher. Nicht so schlimm, kein Geruchstext. Gekommen auf das Bild bin ich, weil da, wo dem Autor seine Peinlichkeit passiert im Artikel, weil er da zugleich so etepetete, so geisteselitär vornehm tut und herablassend gegenüber dem Arno Schmidt und seinem schreiberischen Sichgehenlassen im Menschlichen, weil er da so tut wie einer, der sich empört über das Furzen eines anderen, tatsächlich aber war er selbst es, der gerade gefurzt hat. Was jetzt überzogen ist, denn heuchlerisch ist er nicht. Während er sich über das Furzen des Anderen beschwert, das aber gar kein Furzen ist, sondern nur eine gewagte schriftstellerische Aktion, während dessen kriegt er gar nicht mit, wie er selbst einen Furz nach dem anderen lässt. – Als das passiert, geht es im Text gerade darum, dass Arno Schmidt nicht nur Joyce, sondern auch Freud gelesen und Vorstellungen der psychoanalytischen Theorie produktiv gemacht hat für sein Schreiben – formuliere ich mal so vage, weil ich nicht weiß, was Arno Schmidt genau gemacht hat. Ich kenne sein Spätwerk nicht und Stephan Wackwitz konnte ich nicht mehr folgen von dem Moment an, da er in seinem Artikel seine Unvertrautheit mit der Psychoanalyse – ja was? – zu erkennen gegeben hat? – Das hat er natürlich nicht getan. Getan hat er: So zu tun, als wüsste er über Psychoanalyse genau so Bescheid wie zum Beispiel über die Ausnahmestellung von Arno Schmidt im deutschen Literaturbetrieb der 50er Jahre. – Es geht los: Freud war bekanntlich nicht nur ein bedeutender Schriftsteller, dessen Werke novellenartig und romanhaft organisiert sind, schreibt er und hat so was von recht. Es kann gar nicht oft genug wiederholt werden, was für ein bedeutender Schriftsteller Freud war, um Menschen dazu zu bringen, seine Werke zu lesen – weil es nämlich eine Lust ist, eine der ganz großen Leseerfahrungen, die man machen kann in der deutschen Sprache. Nur, dass seine Werke novellenartig und romanhaft organisiert sind, das ist mir neu. Das habe ich nicht bemerkt, halte ich auch für einen philologischen Prunkschnitzer, das zu behaupten. Hat er wahrscheinlich irgendwo aufgeschnappt. These, über die jemand mal promoviert oder sich habilitiert hat. Oder Beleg dafür, dass der Autor des Artikels die Lust an den Texten Freuds nur vom Hörensagen kennt? Weil er nie miterlebt hat, wie spannend Freud von seinen Gedankenbewegungen zu erzählen weiß und sie deshalb nicht spannend machen muss mit textdramaturgischen Taschenspielertricks. – Weiter: Freud ist also nicht nur ein bedeutender Schriftsteller. Sondern er wies, vor allem in der "Traumdeutung", nach, dass sich das Unterbewusstsein literarischer Techniken - der Verdichtung und der Verschiebung - zu dem Zweck bedient, seine Inhalte, Wünsche, Triebregungen durch die Zensur des Wachbewusstseins zu schmuggeln und als Kulturleistungen zu kostümieren. - Steht da Unterbewusstsein? – Da steht Unterbewusstsein. Das kann vorkommen. Umgangssprachliche Ausdrucksweise. Laienhaft. Eigentlich banausisch. Aber er nimmt es nicht so genau, will es vielleicht nicht so genau nehmen und im übernächsten Absatz steht auch korrekt Sprache des Unbewussten. Doch dann drei Absätze weiter schon wieder, sozusagen der zweite leise Furz: Das in "Zettel's Traum" operierende Unterbewusste ist von einem niederschmetternden Mangel an Raffinesse, Fantasie, Variationsfähigkeit, Geist und Esprit. – Unterbewusste. Unterbewusstsein. Es gibt kein Unterbewusstes und kein Unterbewusstsein. Es gibt nämlich auch kein Über- oder Oberbewusstsein; mehr als bewusst geht nicht.  - Fortsetzung folgt.

Sonntag, 14. November 2010

Gerede

Gestern im Gespräch mit Guido auch meine Finanzlage erwähnt. – Er: Dann musst du eben verkaufen. – Ich: Was verkaufen? – Er: Na, deine Wohnung. – Ich: Hä?! – Er: Du hast doch eine Eigentumswohnung. – Ich: Wie kommst du darauf? – Er: Hast du doch mal erzählt. – Ich: NEIN! Habe ich nicht erzählt. Kann ich nicht erzählt haben. Die Geschichte meiner Wohnung geht so, dass sie zu teuer für mich ist. Und zwar die Miete. Nicht die Zinszahlungen an die Bank für die Hypothek. – Nachdem das geklärt ist, bleibt die Frage: Wie kommt Guido darauf? Bestimmt nicht von sich aus. Das hat er mal gehört, das hat ihm mal jemand gesagt. Gerede über mich. Vorstellungen, die über mich im Umlauf sind. Kann allerdings Schlimmeres geben, als dass sie einen für begütert halten. Gab schon anderes, was über mich geredet wurde. Obwohl auch dieses Gerede nichts richtig Schlimmes war. Sie fanden es vielleicht ehrenrührig und hui und pfui, und stell dir vor! Ich fand es keineswegs ehrenrührig, und das hätte ich ihnen auch gerne gesagt, dass ich es völlig in Ordnung fand, was sie so pfui fanden. Denn wäre es für mich nicht in Ordnung gewesen, hätte ich es nicht gemacht. Aber dazu geben sie einem nicht die Gelegenheit, zu ihrem Gerede Stellung zu nehmen. Das ist das Gespenstische an dem Gerede. Es muss hintenherum sein. Sonst verfehlt es seinen Sinn, sonst macht es keinen Spaß. Sonst könnte am Ende noch herauskommen, dass in Wahrheit alles ganz anders und ganz uninteressant ist. Deshalb stellen sie einem keine Fragen und sprechen es nicht an, was sie über einen gehört haben. Sie machen allenfalls spitze Andeutungen. Und wenn man sie darauf anspricht, dann gehen sie gleich wieder in Deckung. Dann sagen sie: Aha. Aber wie kommst du jetzt darauf, das anzusprechen? – Weil ihr doch darüber redet. – Wir? Wir reden über dich? Meinst du nicht, dass du dich da zu wichtig nimmst? – So geht das dann aus. Was habe ich es gehasst, das Gerede über mich. So gehasst, dass ich mich in schwachen Momenten schon verfolgt gefühlt habe davon. Einer der Gründe für meinen Rückzug aus der Kiez-Öffentlichkeit - so weit wie möglich - ist das gewesen. Und es ist einer der Gründe dafür, dass ich das Bloggen so genieße. Weil ich damit jedes Gerede über mich überbieten und damit zwar immer noch nicht zum Verstummen bringen kann, aber ich habe wenigstens alles getan, um dagegen zu halten. Und ich kann jederzeit dementieren. Wenn nur drei Leute das lesen, dann geht das schon seinen Weg über die Stille Post: MEINE WOHNUNG IST KEINE EIGENTUMSWOHNUNG! Es ist auch nicht so, wie eine mir später nahestehende Person mal allen Ernstes geglaubt hat, dass mir das ganze Haus gehört. Ich sehe vielmehr mit schreckgeweiteten Augen dem Dezember entgegen, wenn ich eines Vormittags den Briefkasten öffnen werde und darin einen Brief der neuen Hauseigentümer finde mit der Mitteilung der kräftigen Mieterhöhung, mit der wir hier rechnen, seit wir vom Verkauf des Hauses und den neuen Eigentümern gehört haben. So sieht das aus. - Um nicht damit zu enden: Bin immer noch phlegmatisch und habe heute einen Text geschrieben über mehrere leise Fürze und einen knatternden Furz in einem taz-Artikel über Arno Schmidt. Weniger reißerisch formuliert: Es geht um den Wortgebrauch Unterbewusstsein und um den Unsinn dieses Wortgebrauchs. Der Text ist nicht fertig geworden und ich weiß noch nicht, ob ich ihn überhaupt zum Funktionieren bringen kann. Deshalb habe ich diesen zweiten Text  geschrieben, obwohl ich gar nicht so grimmig drauf bin, wie der Text vielleicht vermuten lässt. Und jetzt versuche ich mal meinen Psychoanalytiker zu erreichen, um mich zu versichern, dass das nicht auch ein Unsinn ist, was ich in dem Text mit den Fürzen und dem Unterbewusstsein geschrieben habe. Um eventuellem Gerede gleich vorzubeugen: der Psychoanalytiker ist ein Freund. Eine Analyse kann ich mir wegen der Höhe meiner Miete nicht leisten.

Samstag, 13. November 2010

Alles

Das Kind steht mit uns an der Fußgängerampel Ecke Goltz-/Hohenstaufenstraße, Blick auf Unendlich und es geht etwas in ihm vor. Das Kind heißt Kind, weil ich wegen einer Absprache mit mir selbst im Blog die Namen von Kindern nicht nenne, seinen Namen auch gar nicht wüsste, weil ich ihn mir nicht merken kann und mich schon zum wiederholten Mal scheue, nach ihm zu fragen; nach all der Zeit, die ich die Eltern und das Kind schon kenne. Das Kind hat die roten Haare seiner Mutter und die weichen ebenmäßigen Gesichtszüge seines Vaters. Das Kind ist ein Mädchen von fünf (?) Jahren. Bevor es so in sich gekehrt war, ist es mit Bettina herum gerannt und als ich Guido getroffen habe, der auf der Straße gewartet hat, waren Bettina und das Kind gerade in einem Schuhladen. Guido und ich haben uns erzählt, was wir machen. Dabei habe ich mehr geredet als Guido. Von meinem Blog habe ich gesprochen und ihn damit hoffentlich als Leser geworben (Mein Werbespruch für Guido: Eigentlich ist das social suicide, was ich mache. Denn ich erzähle alles von mir). So geht das: Leser für Leser. Wohin es geht, weiß ich nicht, habe ich zu ihm gesagt. Und dann noch: Dass ich nichts Erfundenes mehr schreiben will, vorläufig wenigstens nicht. Weil meine Phantasie völlig versaut ist nach all der Zeit des Schreibens für das Fernsehen. Als ich sagte, meine Phantasie ist versaut, hat er gelacht. -  Und was macht er? –Hörspiele schreiben, daneben auch Prosa; mit Theaterstücken hat er auch wieder angefangen (er hat mal einen Dramatikerpreis bekommen für ein Stück) und dann gibt es noch einen Draht zu einer Produktionsfirma, die die Bloch-Reihe produziert, mit dem Schauspieler Dieter Pfaff. Ich frage nach und es stellt sich heraus, er ist dran, aber nicht drin – er entwickelt Ideen, aber er hat noch nichts untergebracht,  Drehbuchauftrag in weiter Ferne. Viel Geld bringt das alles nicht, was er macht, sagt er. Nicht so viel, dass er etwas zum Haushalt beitragen könnte. – Ja nun, sage ich, und deute auf Bettina, die gerade dem Kind hinterher rennt. Mit Ja nun und dem Deuten auf Bettina meine ich, dass sie doch genug Geld verdient mit ihrer Professur. Einer Professur in Süddeutschland. Deshalb ist sie mehrere Tage in der Woche weg. Während dessen betreut Guido das Kind. Und weil sie in der Woche mehrere Tage das Kind nicht sieht, findet es Bettina jetzt auch viel anregender, mit ihrer Tochter Fangen zu spielen, als sich an dem Gespräch von Guido und mir zu beteiligen. Demnächst wird die kleine Familie für zweieinhalb Monate in Israel sein, wo Bettina eine Gastprofessur hat. Und nächstes Jahr werden sie wohl wegziehen von Berlin. Entweder in die Stadt, in der Bettina ihre Professorenstelle hat, oder ins nahe gelegene München. Das Kind wird eine interessante Kindheit gehabt haben und es wird sehr wahrscheinlich auch nicht erleben, dass sich seine Eltern trennen. Denn, als das Mädchen zur Welt kam, waren sie schon fast 20 Jahre zusammen. – Es gibt Leute, bei denen es klappt. Man könnte auch sagen, dass es Leute gibt, die Glück haben. Aber das würde schon wieder bedeuten, dass die, bei denen es nicht klappt, in einer unglücklichen Lage sind, und das denke ich heute Nachmittag nicht. Man kann auch alleine leben, so dass es kein Unglück ist. Wenn man sich nicht ständig dagegen wehrt mit Sehnsüchten und Wünschen, die gerade nicht erfüllbar sind - und wenn es etwas gibt, das einen mit anderen Menschen zusammenbringt; am besten, indem man etwas für andere tut, statt zu erwarten, dass andere etwas für einen tun. – Solche Gedanken habe ich, weil ich heute phlegmatisch bin und weil ich, bevor ich Guido und Bettina mit ihrer Tochter getroffen habe, in der Bibliothek war, um die Spiegel-Titelgeschichte dieser Woche zu lesen: Eine für alles – Warum Männer immer noch zu viel von Frauen erwarten. – Beim Anlesen des Textes hat sich schnell gezeigt, dass der Titel ein Illustrierten-Titel ist. Heißt: im Heft geht es um etwas ganz anderes, als der Titel verspricht. Im Heft geht es also nicht um neueste Erkenntnisse der Geschlechterforschung, sondern - unter dem Titel Die Paarfalle  - darum, dass es so viele Singles gibt zwischen 30 und 50, die bei der Partnersuche scheitern wegen der Vielzahl von Möglichkeiten, zwischen denen sie sich nicht entscheiden können. Der Artikel besteht aus zwei Teilen: weibliche Perspektive, männliche Perspektive. Der eine Teil geschrieben von einer Redakteurin, Typ blonde Frau Mitte 30, durch die ich hindurch sehen würde, wenn sie mir auf der Straße entgegen käme, und von einem Redakteur, Typ dunkelhaariger Mann Mitte 30, an dem ich vorbei gucken würde, wenn er mir auf der Straße entgegen käme. Der Artikel basiert auf Fallgeschichten. Zum Beispiel dem Fall eines erfolgreichen jungen Anwalts, dem eine Anwaltsgehilfin in seiner Kanzlei schon sehr gefallen würde, aber dann bekommt er einen Zettel in die Hand, den sie geschrieben hat, und darauf steht recherchiren, und nun fragt er sich, ob er mit einer Frau zusammen sein will, die nicht weiß, dass recherchieren mit ie geschrieben wird. – Nach wenigen Minuten klappe ich das Heft zu, lege es zurück und lese dann noch in einer Grammatik der deutschen Sprache den Abschnitt über den Gebrauch von Präteritum und Perfekt nach, der mir in den letzten Wochen immer mehr durcheinander geraten ist.
Was kann ich für andere Leute tun? Ihnen von mir und meinem Leben erzählen. Alles.
Und was gibt es Neues aus der Geschlechterforschung? - Nichts richtig Neues; nur neue Formulierungen und Illustrationen:
Männlein und Weiblein haben sich ein beeindruckendes Arsenal an körperlichen wie psychologischen Selektionsinstrumenten zugelegt, um ihre je eigene Fortpflanzungsstrategie - Ressourcensicherheit bei den Weibchen, Streuung des Genmaterials bei den Männchen - zu verwirklichen. - Bei der elften Konferenz Science and Society am Heidelberger Europäischen Molekularbiologischen Labor (EMBL) präsentierte der Biologe Tim Birkhead ein beeindruckendes Beispiel dafür: die sonderbar spiralig aufgedrehte Vagina von Enten, die zusätzlich mit Seitentaschen ausgerüstet ist. Zweck der Konstruktion: Kommt der richtige Partner, bleibt das Weibchen entspannt, die Spermien klettern ungehindert die Spiralvagina hinauf. Wird die Ente jedoch vom Falschen bedrängt, was nicht unüblich ist, sorgt ein Muskelimpuls dafür, dass sich die Spiralvagina verkürzt und verschließt - und das unerwünschte Sperma in den Seitentaschen endet.
(Quelle: FAZ - Was trennt die Geschlechter?)